01. Die Sehnsucht nach dem Schönen
Mein Auge wandert ein paar Mal über das ganze Bild. Von oben nach unten, von unten nach oben. Ich versuche einen Überblick zu bekommen. Dunkle Konturen, dunkle Wege leiten mich in alle Richtungen Viele Eindrücke muss ich gleichzeitig verarbeiten. Ich gehe den Bewegungen des Bildes nach. Manchmal habe ich das Gefühl, ich drehe mich im Kreis. Dann zieht es mich wieder nach oben aber auch nach unten.
Eine gewisse Unruhe kann ich nicht verheimlichen. Ich habe so manche Kurve zu gehen. Dann bewege ich mich im Kreis und bleibe stehen. Ich halte inne und schaue auf. Ich suche nach Orientierung. Ich suche den ruhigsten Punkt. Dort bleibe ich stehen und will eigentlich nicht weg. Ich versuche tief in das Helle einzudringen.
Aber immer wieder werde ich abgelenkt. Das Gelbe, das Helle, das Licht zieht mich dennoch immer wieder in seinen Bann. Es steht in der Mitte. Ich kann es nur sehen, wenn ich aufschaue, wenn ich mich aufrichte, wenn ich innehalte und konzentriert bin. Dann kann ich ihm auch nicht mehr ausweichen, auch wenn ich möchte.
Es tut mir gut, dieses Licht. Es trifft mich da, wo ich auf der Stelle trete. Es wärmt mich. Es strahlt mich an. Es strahlt mir entgegen. Es lockt mich. Es fordert mich heraus. Es ist, als wollte es mich ansprechen: Komm doch! Warum zögerst du?
Irgendwie fühle ich mich auch weit weg von dieser Helle. Wo ist eigentlich mein Platz auf diesem Bild? Mal ist er im grünen Bereich, hier sehr bescheiden und klein, aber mit etwas Hoffnung gefüllt. Ich halte mich auch im roten Bereich auf. Da gibt es auch Tränen und Ärger. Mal bin ich hin und her gerissen und weiß gar nicht recht, wohin ich hin gehöre.
Wenn ich ehrlich bin, dann gibt es auch Orte, wo ich ganz allein bin, wo ich niemand an mich heranlassen möchte. Es sind wie dunkle Knoten, die mich fesseln? Sie machen mich traurig und bitter. Will ich da bleiben? Da möchte ich heraus. Woher kommt mir Hilfe? Mit letzter Kraft dränge ich nach außen. Geht das mit eigener Kraft?
Besser, ich lasse mich ziehen. Die Fliehkraft, die in diesen dunklen Flecken steckt, treibt mich nach außen. Sie schleudert mich nach außen. Diese Fließkraft will iich nutzen. Sie ist motiviert von den kreisenden Bewegungen im Bild und von der in sich ruhenden Kraft des Lichtes.
Jetzt merk ich es erst. Das anziehende Licht ist nicht nur oben, ganz oben, also weit weg. Es scheint überall durch, vorsichtig, aber doch sehr kräftig. Es drängt sich in alle Ritzen. Es bildet den Untergrund, den Hintergrund. Gerade weil es so dunkle Flecken gibt, ist die Sehnsucht nach dem Hellen da.
Diese Nähe des Lichtes im Hintergrund, im Untergrund tut gut. Sie tröstet mich heute, weil ich den großen Sprung nach oben noch nicht schaffen kann.
Je mehr ich mich in die Farbströme vertiefe, mich von ihnen ziehen lasse, merke ich, dass ich ja vielleicht noch etwas zu erwarten habe, etwas Schönes. Ja ich könnte mir vorstellen, dass ich mich wieder einmal ins Zeug lege.
Ich stelle meine Fragen. Ich spreche über meine Probleme. Ich will mich noch einmal aufmachen. Es zieht mich fort. Niemals werde ich wohl sesshaft werden. Immer bin ich unterwegs, auch ein wenig rastlos, weil ich nicht genau weiß, wohin es geht.
Aber dieses Licht! Ist das nicht unheimlich, unheimlich schön? Es ist nicht ganz zu sehen. Jetzt, wo ich mich langsam aus meinen Verstickungen löse, wird mir wieder klar: Dieses Licht – wenn ich es doch ganz sehen könnte – muss großartig sein. Es leuchtet durch alle Barrikaden hindurch. Es durchsetzt das Dunkle und beginnt es Schritt für Schritt aufzulösen.
Am liebsten möchte ich diese dunklen Stränge, diese Pechstränen auf die Seite drücken, um mehr Licht abzubekommen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht. Ich fürchte keine Unheil. Du Gott leuchtest in alle meine Abgründe, in meine verborgene Gedankenwelt. Du führst mich hinaus ins Weite. Du bist die Kraft meines Lebens. Du machst meine Finsternis hell. Du gibst dich immer wieder zu erkennen. Du bist da. Ja ich glaube, dass du der „Ich bin da“ bist. Dein Licht vergeht nicht. Du bist immer derselbe. Du bist mein Geheimnis, ein leuchtendes, Mut machendes Geheimnis, ein erstrebenswertes Geheimnis.
Du flößt mir wieder Sehnsucht ein, die Sehnsucht nach meiner ersten Liebe, die Sehnsucht nach deiner Zusage: Ich gehe alle deine Wege mit. Ich schrei nach dir, denn manchmal fühle ich mich doch verlassen. Aber wenn du dich so zeigst, darf ich glauben, darf ich hoffen, darf ich neu die Liebe wagen.
Was willst du mir noch zeigen? Ich mache mich auf. Ich bin ganz heiß auf dich, weil du so hell vor mir stehst. Ich verspüre große Sehnsucht nach Dir, nach dem überaus Schönen.
Br. Josef Bodensteiner
02. Wanderung durch die Wüste
Ich betrete eine Landschaft. Das ist keine gewöhnliche Gegend. Gehe ich da freiwillig hin? Ob ich da Urlaub machen wollte? Kann man da überhaupt leben und überleben? Wie soll ich es dort aushalten? Nicht alles im Leben ist freiwillig und bewusst gewollt. Manchmal gerate ich irgendwo hinein, wo ich gar nicht hin will. Und ich kann es nicht ändern, auch wenn ich es wollte.
Es widerstrebt mir, so etwas anzunehmen. Ich rebelliere, nicht nur für den ersten Moment, nein rund um die Uhr. Ich bin richtig sauer. Aber trotzdem, jetzt nähere ich mich ganz vorsichtig dieser Realität. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ich will ja doch leben.
Egal, von welcher Richtung ich mich in diese Landschaft hinein bewege. Überall sehe ich rot. Und so bleibe ich auch stehen. Wohin soll ich mich wenden, wenn Hitze und Schmerz mich drücken. Überall sehe ich rot. Bedeutet das: Halt! Stop!
Der Boden ist sandig, felsig und vor allem heiß. Da kann man nicht stehen bleiben. Es brennt unter meinen Füßen. Die Hitze steigt bis in den Kopf hinauf, in alle mein Glieder. Ich komme ins Schwitzen. Mir wird heiß. Ich bekomme Durst. Aber ich bin ohne alles gekommen. Ich konnte mich nicht darauf einstellen. Ich wurde da hinein geworfen, hineingeschickt. Eine Zumutung!
Endlose Weite vor meinen Füßen. Ich komme nur langsam vorwärts. Warum nur? Und warum ich? Sollte ich nicht umkehren? Aber wohin! Überall ist es heiß, überall Wüste! Fragen kommen und gehen. Lange habe ich nicht mehr so grundsätzlich über mich nachgedacht. Jetzt, wo es so eng und so ungemütlich, so wüst und leer ist, um mich herum und vor allem in mir.
Und jetzt auch noch diese Felsen, ein unüberwindliches Hindernis. Hier geht es auf Leben und Tod. Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Hast du mich in die Wüste geschickt, damit ich sterbe? Lange rebelliere ich. Ich werde zum Schweigen gebracht, zum heiligen Schweigen. Wer bin ich eigentlich? Wer wollte mich? Wer wollte mich so, wie ich heute da bin? Was will mir dieser heiße und steinige Weg sagen?
An diesem Hindernis, heißer Sand unter den Füßen, Felsen vor den Augen, da entscheidet es sich: Was ist wesentlich? Was ist unnütz? Was dient meinem Leben? Was brauche ich wirklich? Da geht mir auf: Immer wieder musst du an diesen Berg, an diesen Felsen geraten. Das ist der Berg Gottes. Der Berg der Entscheidung und Neuorientierung. Hier kann ich mir notieren, worauf es wirklich ankommt. Hier geht mir auf, was die Worte Sehnsucht und Verheißung bedeuten: Geh und geh, geh weiter!
Es hat sich etwas geklärt, vielleicht nur ansatzweise. Das kann schon genügen, für die nächsten Schritte. Sie dürfen klein sein. Beharrlich müssen sie werden, mutig. Man darf ruhig durstig bleiben. Durst ist kostbar, wenn er ausgehalten, wenn er nicht ertränkt, wenn er dann auch langsam gestillt wird.
Immer wieder werden mir solche Wege zugemutet. Wie oft bin ich sie gegangen, ohne darüber nachzudenken. Wie oft war und ist mein Leben unbedachter Weg? Wenn der Weg hart war und ermüdend, wenn ich mehr geschlichen bin als gegangen, wenn ich gegangen worden bin.
Gleißende Sonne macht solche Wege zum Ofen, macht Felsen und Sand rot wie Blut. Meine Spuren verlieren sich im Nichts.
Aber: Es gibt auch – Gott sei Dank – Hoffnung, grüne Pflanzen. Sie sagen mir, hier kann man leben, zumindest auftanken, sich erholen und ausruhen. Ich kann meine Wunden kühlen, äußerlich. Meine inneren Verwundungen und Verletzungen darf ich reinigen und auswaschen. Es gibt Leben auf meinem Weg, und wenn ich bereit bin, kann ich ihm begegnen.
Die Klärung in der Hitze, die Beruhigung in der Kühlung werden zum Ruhepunkt. Und meine Offenheit für die Begegnung ist entscheidend für die Tiefe, ihre Kraft, ihre verwandelnde Kraft – und das mitten in der Wüste.
Herr, mir geht auf das Wunderbare an deiner Weisung. Alles will dir und dem wahren Leben dienen. Du kannst mir sogar den Tisch in der Wüste decken. Du machst die Wüste zum Wasserteich. Wenn dein Geist über mir ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten. Quellen brechen auf und Bäche fließen im heißen Sand.
Und was ich dir noch sagen wollte: Dein Licht ist überall zu sehen und zu spüren. Sogar im heißen, glutroten Sand und im aufgeheizten Felsen spiegelst du dich wieder. Ich erinnere mich an den brennenden Dornbusch. Ich konnte dich nicht gleich erkennen, weil ich so sehr mit mir beschäftigt war.
Jetzt wo ich meinen Durst lösche und zurückschaue, merke ich. Überall bist du mit mir gegangen. Du verzauberst dieses Wasserloch zum Brunnen für neues Leben und öffnest mir die Augen für deine Größe. Groß und wunderbar hältst du Wache über mich auch in Wüstenzeiten, auf Durststrecken, in finsteren Schluchten und im Tal des Todes. Deine Helle, deine Güte, deine Schönheit reicht, so weit der Himmel ist.
Br. Josef Bodensteiner
03. Glaube, Hoffnung und Liebe
Auf den ersten Blick: Das Bild hat eine klare Mitte. Sie ist kräftig und trotzdem hell mit einem weiten Horizont nach oben, nach hinten in die Tiefe, in die Weite. Dieser Horizont wirkt auf mich wie eine gewaltige Strömung nach oben, heraus aus der Mitte oder auch hinein in diese Mitte.
Ob man will oder nicht, man ist dieser Strömung ausgeliefert. Sie ist sehr dominant, wenngleich auch zart und vorsichtig. Sie ist keineswegs bedrängend, eher einladend und lockend. Man kann sich gut darauf einlassen. Es gibt keinen Grund zu fliehen. Im Gegenteil: Es tut einfach gut, sich diesem Strom hinzugeben, ohne Worte.
Ich möchte einfach ein wenig schauen, damit ich zur Ruhe komme und in dieser fließenden Stimmung bleibe. Das ist sehr angenehm, weil ich mehr sehen kann, als ich wirklich sehe. Ich glaube, ja ich glaube, dass es ganz weit hinten noch weiter geht. Es ist schon erstaunlich, wo mich dieses Licht hinführt, hinzieht, langsam aber sicher.
So zeige ich meinen Glauben, symbolisch. Er ist in Bewegung, gerichtet auf eine Verheißung. Soweit der erste Blick!
Dann steigt aber, da bin ich sicher, die Erinnerung an das vorausgehende Bild von der Wüstenwanderung in mir auf. Die reinigende Hitze, der brennende Durst, fließt hier wie Glut ins Bild und im Bild. Ein wenig bin ich wohl gezeichnet, gebrandmarkt von der Wüstenerfahrung. So eine Erfahrung lässt nun mal nicht kalt. Die Berührung mit dem Göttlichen, dem Heiligen kann man nicht einfach wieder abstreifen.
Glutvoll ist mein Denken geworden. Unter Tränen mache ich mich auf zum Gebet. Ich gehe in die Knie. Ich werde nicht gezwungen. Nein, ich will jetzt diesem Feuer viel Raum geben. Es hat meine Sehnsucht regelrecht angeheizt. Nicht nur mein Denken ist glutvoll geworden. Auch mein Beten möchte aus dieser Glut aufsteigen.
Da braucht es einige Anläufe gegen den inneren Schweinehund. Immer wieder kommt etwas dazwischen und quer. Manchmal macht mich das sogar gefühllos. Zerstreuung und Ablenkung drängen sich in die gute Absicht und die edlen Vorsätze.
Ich kann das nicht aus eigener Kraft, die Glut am Brennen zu halten. Schnell wird sie kalt und zu schwarzer Asche, die zu Staub zerfällt. Unordnung und Verdruss schleichen sich ein. Überschwang und Freude verstummen. Ich muss mir helfen lassen. Ich brauche ein Wort, das mich aufrichtet. Das Feuer darf nicht mehr ausgehen.
Herr, ich brauche Dein Wort. Dein Wort ist Licht und Wahrheit. Es leuchtet mir auf all meinen Wegen. Du bist das Buch meines Lebens. Darin will ich lesen. Ich will mich diesem Buch aussetzen, vor das Buch hinsetzen. Sein Gehalt soll wie eine Infusion in mich hineintropfen.
Ich lasse mich berühren und anrühren. Das Buch ist ja nicht nur aufgeschlagen als Dekoration. Nein, es neigt sich mir zu. Es drückt hinein in die Niederungen meines Lebens. Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung will sich verbünden mit der Glut meiner Sehnsucht. Die gekreuzigte Liebe will in menschlichen Augen erkannt und zurückgeliebt werden.
Das Buch möchte sich ansiedeln im Alltag. Dort will es sesshaft werden. Das gebundene Buch will in das tägliche Leben eingebunden werden. Nur so wird das Buch des Lebens zum Buch meines Lebens - ganz konkret.
Keine Frage: Dieser Teil des Bildes ist bestimmt von der Farbe rot. Neben dem Symbol des Glaubens in der oberen Bildhälfte nun die Veranschaulichung der Liebe. Aber auch in den fernen Horizont mischt sich das Rot der Liebe. Ihre Fühler ragen auch in den noch verbleibenden Teil des Bildes mit dem hervorstechenden Grün:
Die Hoffnung! Sie vermittelt Kühlung gegenüber der Glut nebenan. Hier ist es gut. Hier kann man sich niederlassen. Sie entspringt der Liebe und wächst über sich hinaus in die Sphäre des Glaubens hinein. Sie wächst zielstrebig nach oben, genährt von der Glut der Sehnsucht und der sich verströmenden Liebe aus dem Buch der Bücher.
Also: Glaube, Hoffnung, Liebe! Diese drei, aber am größten unter ihnen ist die Liebe.
Ich wage noch einen anderen Blick. Und da geh ich in die Knie. Ich bete an den Leib Christi, hier in einer überdimensionalen Hostie als alles überstrahlendes Licht. Mein Glaube strömt aus ihm und auf ihn zu. Der Herr durchdringt mit seinem Licht das Buch der Bücher und verströmt sich als Liebe in die Herzen der Sehnsüchtigen. Er erfüllt sie. Er reinigt sie. Er gibt ständig wachsende Hoffnung, dass ich immer wieder aufschauen kann.
Anbetung ist keine Einbahnstraße. Alles kommt zurück. Ich werde erneuert, begabt und befähig, gefüllt und erfüllt. Ich werde zum Geliebten und Verliebten, durch den Herrn, in den Herrn, glutvoll und unter Tränen – Freudentränen.
Br. Josef Bodensteiner
04. Die sichtbare Welt als Spiegel
Ein Bild, oder zwei Bilder? Oder zwei Bilder auf einem Bild? Das ist der erste Eindruck. Ich lasse die Entscheidung offen. Die beiden Bildhälften zeigen zwei grundverschiedene Motive. Einen Feuerball, ein Flammenrad! Eine Scheibe, die sich dreht, rasend schnell. Oder steht sie? Eine übergroße Pflanze daneben oder besser: gegenüber.
Es ist schwer zu entscheiden, in welche Bildhälfte ich mich zuerst vertiefen will. Beide sind gleichermaßen herausfordernd. Sie haben etwas gemeinsam. Beide Motive sind übergroß und vor allem majestätisch. Sie haben ihren je eigenen Mittelpunkt und Ruhepunkt.
Zartes und Übermächtiges beeindrucken zur gleichen Zeit. Vielgestaltigkeit und Einheit durchdringen sich. Die Grundverschiedenheit der Symbole wird durch farbliche Entsprechungen und innere Einheit wieder aufgehoben. Das Eine hat mit dem Anderen zu tun.
Unauffällig blass dagegen, grau bis dunkel ist der Hintergrund. Er erzeugt die Wirkung, wie wenn hier etwas aus dem Nichts auftaucht und in Erscheinung tritt. Aus Leere, Tohuwabohu, Finsternis ist etwas einfach da, aber gleich so glorreich und gigantisch, so schön, dass man wirklich große Augen bekommt. Ich bin hier wirklich gezwungen, immer noch genauer hinzusehen.
Wie frei schwebend kommt mir etwas entgegen, geschenkhaft, einfach gegeben. Es wirkt keinesfalls bedrohlich. Im Gegenteil, es entlockt mir ein warmes Gefühl, eine wohlige Nähe, aber auch eine Übermächtigkeit, die auf mich zu kommt, die mich staunen lässt.
Eigenartig ist der Farbenfluss des Farbenkreises: Weiß, gelb, hellrot, dunkelrot, rotschwarz, schwarz, in einander fließend, vom Hellen zum Dunklen sich verdichtend. Und dann tritt etwas selber aus sich heraus, in alle Richtungen mit ausgreifenden Armen, mit Sturm und Braus. Es wird etwas Neues geschaffen, in die Selbständigkeit und Freiheit entlassen.
Der Schöpfer tritt wie aus sich heraus und stellt sich dar, spricht sich aus. Er hinterlässt eine Spur, ein Gebilde. Er entlässt es wie aus einer Gebärmutter, vorsichtig, weil viel zu prächtig. Jetzt steht sie da, entfaltet, aufgefaltet, aufgeblüht, gehalten von des Schöpfers unsichtbarer Hand. Noch zaghaft und unsicher ist der Stand, aber strahlend, feurig blühend und elegant.
Nun beginnt das große Unternehmen der Freiheit, zu sein, was ich bin.
Ich stell mich vor meinen Schöpfer hin. Ich will ihm danken, dass ich bin, loben und preisen, dass ich so sein darf, wie ich geworden bin.
Nun muss ich aber auch überlegen, wie hat er mich gedacht.
Dass ich mich vollkommen selbständig mach?
Dass ich mich nun abwende von dem hellen Licht? Ich glaube, dann komme ich aus dem Gleichgewicht.
Wie unsichtbar wird das Geschaffene, das Geschöpf, DU, gehalten wie von einer unsichtbaren hellen Macht. Und nun betrachte dich doch einmal selber ganz genau: Geformt und gefärbt, gefaltet und gewunden, lebendig und feurig, fein und kräftig! Und das alles ohne dein Zutun! Nichts hast du von dir aus und doch bist du es. Von weit her kommst du und doch bist du hier zu Hause.
Wie kann ich nun leben, ganz allein, entbunden und abgenabelt, selbständig und hingestellt in diese Welt. Was soll ich als Blume nur tun?
Ich frag die Menschen, was sie wohl denken, wenn sie mich abschneiden und verschenken. Sie verschenken, was sie nicht gemacht und es wird viel Geld daraus gemacht.
Im Geld spiegelt sich nicht mehr das Geschenk. Es wird zur Vorspiegelung falscher Tatsachen. Nämlich die stille Erlaubnis, alles mit mir – dem Geschöpf, der Blume - zu machen. Ich hab nur einen Wunsch. Frag mich doch, woher ich komm.
Du musst dich bekehren, immer wieder, hin zum Gesicht der Blume, so wie die Blume sich dreht zum Licht. Dieses Gesicht der Blüte ist wie ein Spiegel. Er spiegelt dir nichts vor, keine falschen Tatsachen. Nein, in ihm blendet dich das Licht, aus dem du selbst gekommen bist.
Im Spiegel verfolge deine Spur, nach Hause in des Schöpfers Garten. Dort wirst du den Samen finden für den schönsten Blumengarten.
Br. Josef Bodensteiner
05. Des Schöpfers Mächtigkeit, Weisheit und Güte leuchten im Geschaffenen
Lobet den Herrn vom Lichte her. Er leuchtet und strahlt in sein Werk. Lobet den Herrn vom Dunkel her. Auch dort gebe ich dir Halt. Ich schaffe das Licht und mache das Dunkel, gleichermaßen schön. Sei ohne Sorge, ich bin da.
Wo immer du hinschaust. Ich bin am Werk, kraftvoll und stark Ich neige mich dir zu und bin dir gut. Ich berge dich. Ich umhülle dich. Ich bin dir nah.
Groß bist du. Ich lobe dich. Unerforschlich sind deine Pfeiler und Konturen, deine Fundamente und deine Bögen. Sie tragen und stützen. Sie leuchten und glühen in deinem Licht. Sie sprechen von gewaltiger Kraft und haben Maß, Zahl und Gewicht.
Du bist auch gnädig und barmherzig, langmütig und voller Liebe. Deine Zuneigung zieht sich in roter Farbe – der Liebe – in alle meine Umtriebe. Du schenkst mir wieder das Feuer, die Glut. Ich darf hoffen, weil du mir niemals drohst.
Immer noch schaffst du. Immer wieder bringst du hervor. Ich staune ob der Wildheit und trotzdem liegt ein Ordnung vor. Mit Weisheit hast du alles konstruiert, auch wenn man meint, dass manches aus den Angeln gerät. Nichts ist nur Zufall, alles ist gewollt. Du schaffst unaufhörlich. Ich finde das toll.
Herr, mein Gott, wie hell bist du. Du verankerst dein Licht sogar in allen Fugen und Ritzen. Hier muss niemand im Dunkeln sitzen. Mit Weisheit hast du alles gemacht, die Erde ist voll von deiner Schöpfermacht.
Wie Weihrauch steige, Herr, mein Gebet empor. Ich kann dir nur danken, ohne dich wäre ich verloren. Ich habe Ehrfurcht vor deiner gewaltigen Macht, vor deinen Taten, wie elegant und schön, nichts ist missraten.
Preist unseren Gott, lasst laut sein Lob erschallen. Er erhält alles am Leben und lässt unseren Fuß nicht wanken. Wer bin ich vor dir, dass du dich so mühst, ich kann es nicht vergelten, wie du dich hingibst.
So steh ich vor dir, staunend und klein. Du bist der Weise, der Gütige und ich darf ICH sein.
Mit kräftigen Strichen hab ich versucht, die Mächtigkeit zu demonstrieren, die aus dem ewigen Licht mit Schwung und Leichtigkeit hervorbricht. Diese Kraft nimmt das Licht mit hinab in die Niederungen des Lebens. Es färbt sich um in die Farbe der Liebe, des Heruntergekommenen.
Ganz unten angekommen, dringt es ein ins Dunkel der Welt, in die Hinterhöfe der Gedanken. Er ist geduldig und kann warten. Bis sie erkannt wird, Gottes Weisheit. Sie scheint manchmal wie tot.
Doch noch im tiefsten Schwarz und Dunkel keimt die Hoffnung. Sie durchbricht den Todesraum und bricht sich die Bahn nach oben, hinein in den Lichtsaum der Sonne.
Gottes Weisheit ist wie ein Gedicht. Nie verliert sie ihre Phantasie. Sie leuchtet selbst im Dunkel auf. Nichts ist geschaffen ohne Sinn. Alles leuchtet und deutet auf Macht, Güte und Weisheit Gottes hin.
Br. Josef Bodensteiner
06. Betrachtung des Geschaffenen nach der Schönheit
Wie ein Blitz schlägt sie ein die Schönheit des Lichts. Ihr Ursprung kommt wie aus dem Nichts. Klar bist du und geschmeidig, wie ein Komet aus deiner Gutheit. Im Fließen deines Gebens ordnest du sogar das Dunkel. Es passt sich ein in den Strom der Liebe und ist durchwirkt von ihrer Farbe, unglaublich gewaltig. Auch da leuchtest du hervor. Nichts grenzt dich ein und nichts schließt du aus. Alles dient deinem Schöpfungsrausch.
Hauptsache schön und gut, geordnet und klar! Alles ist geformt und gewirkt, groß oder klein, auf dein Wort hin von edler Gestalt. Nichts soll verkommen. Darum hast du es eingebunden und eingeschlagen in den Lichtraum deiner Unendlichkeit.
Jetzt sind sie selbst da auf dieser Welt, die Dinge, wie kleine Stücke von dir. Kleinen Sonnen gleich strahlen sie in ihrem je eigenen Bereich. Ob klein ob groß, in ihnen leuchtest du immerfort. Sie ist nicht zu verbergen, deine Herrlichkeit. Ausgewogen und leicht füllen die Dinge die Welt. Sie haben ihren Platz, so wie es dir gefällt.
Sie wirken zusammen, ergänzen sich. Sie wetteifern im Leuchten. Wer kann wohl am besten den Schöpfer im Spiegel uns zeigen. Nichts ist doppelt und gleich. Die Vielheit überzeugt, keine Einheitsbrei.
Ich lass sie nun wirken, die Dinge unserer Welt. Was macht das mit meinen Empfindungen und Erfahrungen, mit meiner Sehnsucht und Phantasie, mit meinen Sorgen und meiner Niedergeschlagenheit.
Ich kann wieder sehen, die unterschiedlichen Gestalten, die feinen Nuancen ihrer Lichthaftigkeit. Ihre Farbigkeit regt mich an, wieder in mich und um mich zu schauen. Der Horizont wird größer, die Freude und Liebe weit, weil es mich hinauszieht in die Ewigkeit.
Doch ich bleibe am Boden, ich kann ja in jedem kleinen Ding meinen eigenen Schöpfer loben. Die Dinge der Welt, ob groß oder klein, sie dienen dem Auge, damit ich IHM diene, auch wenn ich manchmal traurig bin.
Verzeih mir mein Gott, wenn ich so oberflächlich nur schau. Manchmal ist es vor meinen Augen nur grau. Jetzt wo ich weiß, dass auch da du bist, schau ich hin, bis es wieder leuchtet in mir drin.
Ich kann sie wieder sehen, die Dinge der Welt. Sie gleichen Samenkörnern, die du für mich gestreut, damit deine Schönheit immer wieder neu wächst, blüht und gedeiht.
Unergründlich ist dein Reichtum. Nur ein Blitzlicht davon kann ich sehn. Daher muss gelten: Bleib immer wieder mal stehen.
Nicht nur das Sehen auch das Hören wird neu. Die Dinge haben etwas zu erzählen. Manchmal sind sie wie Noten, nach denen wir singen. Manchmal sind sie wie Tasten, die wir drücken können. Dann erklingen die Schöpfungstöne, welch ein Entzücken. Sie füllen wieder den Herzraum und das Gemüt, auch wenn dort manchmal sehr viel Gerümpel herum steht.
Ja, deine Schönheit, Herr, ist wie ein Instrument, seine Töne geben eine Ahnung, woher sie kommt.
Vergiss auch nicht, die Dinge zu verkosten. Sie sind wie Brot. Unendlich reich ist deine Vorratskammer, voll und überquellend. Es braucht kein Jammern und keinen Streit. Manna gibt es genug, weit und breit. Nimm sie in dich auf, die Dinge der Welt. Verkoste sie und lass sie dir schmecken, so lang es dir gefällt.
Aber: Halte Maß, dass ist es, was der Schönheit gefällt.
Nimm sie auch in die Hand, die Dinge der Welt. Mit ihnen darfst du arbeiten, solange es IHM gefällt. Nimm sie in die Hand und forme sie neu. Hab acht auf ihre Schönheit. Sie ist nur geliehen. Sie soll dir, aber auch deinem Schöpfer dienen.
Nimm sie auf in dein Herz, die Dinge der Welt. Sie sind wie Wohltaten und Belohnungen, wie sie im Leib der Kirche gespendet werden. Sie sind wie Zeichen, wie Sakramente Gottes. Sie wollen dich erfüllen mit der Wonne und Schönheit Gottes.
Br. Josef Bodensteiner
07. Schönheit: Empfindung von Wonne
Du hast mir Wonne bereitet, o Herr, mit dem von dir Geschaffenem, über die Werke deiner Hände juble ich. Wie großartig sind deine Werke, o Herr! Alles hast du in Weisheit geschaffen, Dein ist die Erde und was sie erfüllt.
Ja, Herr, mit Wonne und Freude hast du mich bedacht. Du hast mir etwas aus dem Paradies mitgebracht. Du hast mich nach Eden schauen lassen. Eden heißt Wonne - in der Sprache des Gartens.
Ich trete ein in die Freude, die Wonne. Von allen Seiten bist du mir wohlgesonnen. Mit allen Sinnen wirst du wahrgenommen. Du bildest dich ab in edlen Gestalten. Niemand kann je deinen Bauplan erraten. Wohin ich mich wende, überall Lichtfluten und Sonnenglut ohne Ende. Dezent trägst du alles mit geschwungenem Gebälk. Alles ist ausgewogen. Nichts kann zerbrechen. Nichts fällt zusammen. Alles hält.
Deine Formen, sie drehen und winden sich mit Kraft und trotzdem wird nichts zunichte gemacht. Immerzu spendest du Licht, trägst alles und bringst hervor. Du bildest dich ab und hältst die Balance. Keiner muss zweifeln, nichts geht verloren, weil du bist der Ursprung und hast alles geboren.
Anfang und Ende, Ursprung und Ziel, du ziehst die Fäden und durchschreitest den Raum. Es ist wie wenn Gott selbst sich gebiert. Da kann man nur staunen. Deine Anordnungen, ob symmetrisch, zentriert, gespiegelt oder verdreht. Das Auge geht mit und wird nicht irritiert.
Immerzu pflegst du deinen Garten mit Farben aller Arten. Mal dezent, mal warm, dann kühlend und fließend, mal weich dann wieder kräftig. Du bist wie ein Gärtner, wunderschön und prächtig.
Fast möchte ich sagen: Du bist sogar süß und lieblich. Du überforderst mich nicht, weil du ausgewogen verteilst die Lasten der Liebe. Ein mittleres Maß ist uns allen angenehm, unter Extremen zu leiden, dass will keiner verstehen.
Ich fühl mich gesättigt mit Wonne und Freude, weil du konstruiert hast ein so vortreffliches Gebäude. Deine Schönheit strahlt aus, alles Seiende ist dessen voll. Doch dein wahres Gesicht wird erst erkennbar in Jesus, deinem Sohn. Aus ihm fließt die Wonne, die Schönheit, das Licht. Sanft, wohltuend und angenehm, kein Übermaß verletzt, so spür ich die Ausstrahlung, mit der er die Schöpfung benetzt.
Du weist genau, was wir brauchen. Bedürftigkeit und Not siehst du zu oft. Du hast sie beseitigt mit Leiden und Sterben und deines Sohnes Tod.
Doch das letzte Wort hast auch du gesprochen. Wir dürfen auf den Anblick deiner Schönheit hoffen.
Du lässt uns aber schon heut das Schauen üben in deiner Welt. So wie du dich austauschst mit deinem Sohn, du Vater der Lichter, so glänzt und erfreut dein Abglanz in deiner Welt unsere Gesichter.
Das Urbild der Süße, der Schönheit und Kraft – ein schöner Gestus – ist unerschöpflich grundgelegt im Sohn des Vaters, in Christus.
Er ist die Quelle, der Grund aller Freud, er füllt unsere Sinne auch mit den Kleinigkeiten der Welt.
Wir müssen viel üben, zu sehen, zu hören und zu tasten, und dazu immer wieder ausgiebig im Garten der Wonne, in Eden, rasten.
Ich kann mich nur wundern, was deine Farbe mir schenkt. Ich werde vollkommen von meinen Alltagsproblemen abgelenkt. Sie werden nicht überstrichen, getilgt oder gar ausradiert. Nein, ich hab einen neuen Blick auf sie. Und der ist viel wert.
Ich sehe sie aber jetzt doch an und beackere sie nun. Das Beste wird sein. Ich färbe sie doch um. Ich tauche sie ein in dein barmherziges Licht, vertrau mich dir an, damit du mich aufrichtest.
Jetzt sehe ich mich wieder ganz vorsichtig leuchten, ich glänze wie dein Abbild und nur du kannst es deuten.
Vor deinem Angesicht herrscht wahrlich Freude in Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit. Ich will meine Tage genüssliche nutzen, zu verkosten die Dinge der Welt und vor allem deine Barmherzigkeit. Ich habe meine Wonne am Herrn. Das sollte man mir auch ansehen, wenn ich blicke in die Augen nebenan. Freude und Wonne strömt aus dem Licht, sie ergießt sich in deine Schöpfung, wer sieht das noch nicht?
Dann tritt ein in das Labyrinth meines Gartens. Er ist offen für Menschen aus Stadt, Land und Dorf, sogar für N.N.
Br. Josef Bodensteiner
08. Die ewige Kunst
Die ewige Kunst, so die Idee dieses Bildes! Vielleicht klingt das sehr einfallslos. Ich will nicht widersprechen, weil ich selber nicht alles sehen kann, was sie produziert.
Ich kann hineinsehen in das Bild wie durch eine Brille, aber ich sehe nicht alles. Irgendwo muss aber alles herkommen und hervorquellen. Ich sehe nicht das vollständige Licht. Aber das, was ich sehe, trifft mich. Es trifft das konzentriert suchende Auge mit aller Wucht. Es überfällt aber auch den fernen Betrachter mit Fluten von Licht.
Was kein Auge geschaut und was keine Ohr je gehört. Das wird hier deutlich. Es gibt noch eine Tiefe, die jenseits meiner Sehfähigkeit liegt. Ich kann nur ahnen, phantasieren und vermuten. Aber ich glaube, der Lichtschein trügt nicht. Ort und Zeit sind aufgehoben.
Die Vernunft muss sie ausblenden, sonst wird sie blind. Nichts ist zu verändern, weil alles, so wie es hervorquillt, schlichtweg überzeugt und stimmt. Das Unwandelbare herrscht mit Übermacht. Das Veränderliche ist um seine Gestalt gebracht. Nichts ist mehr begrenzt, alles ist offen, weil das Licht dem Unwandelbaren gehört und jeden Rahmen sprengt.
Es klingt vermessen. Das Ewige bekommt ein Gesicht. Aber nur einen Teil kann ich sehen, den anderen noch nicht. Denn alles, was ewig ist, das ist Gott. Er ist der Grund, dass ich so urteile, aber ich fasse ihn noch nicht. Er ist der Maßstab, untrüglich, großartig und schlicht. Er ist das Licht aller Wahrheit, dem alles unterworfen ist.
Unzerstörbar sind seine Farben und Formen. Unzweifelhaft sein unablässiges Hervorbringen, unwiderleglich seine Präzision. Er ist eben keinem Urteil zu unterwerfen, weil er unveränderlich, ohne Beschränkung und auch ohne Aufhören ist.
Seine Unzerteilbarkeit leuchtet ein, weil seine Ausdehnung die Ewigkeit kennt. Unzerstörbar ist das Potential, welches schafft ohne End. Keiner sieht den Anfang ebenso nicht das Ende. Der Architekt, der Baumeister, der hier konstruiert, er arbeitet mit Gesetzen, die kann niemand kopieren. Seine Kapazität ist unbegrenzt. Er schöpft aus der Fülle, die ungeschaffen ewig strömt. Alles existiert im ewigen Plan. Dieser ist unerreichbar, kompliziert, aber schön.
Dort im Grund aller Gründe, da wird geformt jede Form, da wird nivelliert, dass alles passend und als schön empfunden wird. Ein Urteil mit Gewissheit über alles, was er hervorgebracht, dass ist nur möglich, wenn man den göttlichen Bauplan hat bedacht. Gottes Plan selbst urteilt in uns. Alles ist gewollt, nicht dem Zufall gegeben. Selbst die Unterschiedenheit ist plangemäß. Da gibt es kein „Da ging etwas daneben“.
In allen Dingen, die uns umgeben, da ist Gottes Plan zugegen. Nichts ist überflüssig. Nichts ist zuwenig und fehlt. Die Kritik an ihm ist vermessene Überheblichkeit.
Im Garten der Schöpfung, auf Feld und Flur, da hallt nun die Frage: Warum und Wodurch? Alles so schön und erfreulich, so zeitlos und überräumlich! Ich habe alles wahrgenommen, hab Freude empfunden und herzliche Wonne. Ich habe ein Urteil gefällt nicht ohne Bedacht: Alles Schöne ist durch die göttliche Wahrheit, die Schönheit selbst so schön gemacht.
Der kunstreiche, allweise und göttliche Plan ist göttliches Wissen. Er wurde für uns sichtbar gemacht, in Gott, der zweiten Person, dem Christus. Er ist es, der widerspiegelt die göttliche Kunst. Er bewirkt alles durch seinen göttlichen Grund. Er ist die Ursache, dass alle Schöne ist gebildet, so dass Schöpfer und Schöpfung darin widerhallen und eine Einheit nun bilden.
O göttliche Kunst, o göttlicher Logos, wer kann je dich begreifen. Du bist das farbigste Urbild, nach dem ich will greifen. Dir entströmt alle Vielfalt in Fülle, geschwungen, leuchtend, geziert und famos, weil du bist, können wir schauen die Schönheit des Kosmos.
Und du Mensch, Schwester, Bruder allesamt, ich glaube wir müssen nun innehalten, damit Gottes Größe in uns sich kann neu entfalten. Wenn Gott so groß und schön in uns ist, dann ist der Mensch nicht nur klein. Den Christus, sein Sohn, er hat uns erlöst und erhöht, damit wir sehen des ewigen Lichtes Schein.
Was kein Auge geschaut und kein Ohr je vernommen. Dieses Wort, das tröstet mich. Denn ich weiß, dieser Gott ist treu und verlässt mich nicht.
Br. Josef Bodensteiner
09. Sakramentalität der Schöpfung - Schönheit des Menschen
O mein Gott, wie groß bist du. Du thronst ganz oben und hoch über mir. Geheimnisvoll trittst du auf, aber freundlich und warm. Kühlung und Glut sind in dir versöhnt. Das Licht ist überquellend und auch vor dem Finsteren distanzierst du dich nicht. So wirkst du auch ewig geheimnisvoll. Niemand kommt hinter dich.
Tiefe und Höhe, Länge und Breite sind nicht messbar. Du hast keinen Durchmesser, keinen Scheitel keinen Grund. In welche Richtung ich auch sehe, ich komme an kein Ende.
Du bist, der du bist, das hast du gesagt. Du brennst und verbrennst doch nicht, bist weit weg, aber auch da. „Ich bin der ich bin da!“ Jetzt versteh ich dies Wort. Du kannst gar nicht weg, weil du der ewig, unendlich überall Seiende bist.
O mein Gott, ich finde kein Wort. Du hast ja gar keinen festen Ort. Wie sollt ich dich jemals fassen im Bild. Ich müsste dich begrenzen, was dann doch nur Stückwerk blieb.
Jetzt habe ich dich einfach mal oben fixiert und unten die Menschen, die mit dir kommunizieren. So kann ich zeigen, dass du bist nicht nur fern. Denn du stehst in Kontakt mit uns, aber das muss ich erklären.
Du hast dich geöffnet, geoffenbart, ausgesprochen im Schöpfungswerk. Das haben wir ausgiebig betrachtet und alle Spuren darin führen zur dir zurück. Auch heute noch spüren wir, du bist noch am Schaffen. Die Welt seufzt noch, sie braucht dich, worauf alle Menschen hoffen.
Was ist nun der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst. Hast du ihn wirklich nur wenig geringer gemacht als Gott? Hast du ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt?
Klein erscheint der Mensch im Bilde hier. Deine Hoheit dagegen, o wie gewaltig. Aber es gibt Verbindungen von oben nach unten, die wirken ganz stattlich.
Tief gefallen, ganz unten, so erscheint hier der Mensch. Die Verbindung war unterbrochen, bis die Zeit ward erfüllt. Jetzt kann er wieder nach oben schauen und hoffen. Er muss nicht mehr darben, harren und warten, weil Christus, unser Meister gekommen. Er hat die Leiter wieder hergestellt, die durch Sünde und Schuld war gebrochen.
Die Mittlerschaft Christi hat uns geöffnet die Tür. Jetzt strömt wieder Licht und Leben zwischen dir und mir. Das Licht ist gebündelt in drei mächtigen Strömen – blau, grün und rot – jetzt können ungehindert fließen, der Seele Glauben, Hoffnung und Liebe. Der Geist des Menschen ist gekleidet in Farbe und Licht. Der geistliche Gesichts- und Gehörsinn ist wieder ganz, um Anteil zu nehmen am göttlichen Glanz.
Mensch, glaub nun an Christus, das ungeschaffene Wort! Er führt noch oben an des Vaters Ort. Und der Mensch darf seufzend hoffen auf das eingehauchte Wort, damit die Sehnsucht des Geistes ihn trägt nach Hause an den ewigen Hort. Wenn du nun auch liebst, o Mensch, das fleischgewordenen Wort, dann wirst du, in Wonne gekleidet, heimgeliebt an der Liebe schönsten Ort.
Mensch glaub mir, ich richte dich wieder her. Die höchste Schönheit darfst du wahrnehmen und nichts ist mehr schwer. Den süßesten Duft darfst du riechen, das Lieblichste verkosten, die höchste Wonne empfangen, es wird nur Glaube, Hoffnung und Liebe kosten.
Du hast ihn wirklich nur wenig geringer gemacht, Gedächtnis, Erkenntniskraft und Willen gegeben. So kann er sich – der Mensch – jetzt schon, benetzt durch deine Schönheit, glaubend, hoffnungsvoll und liebend durchs Leben bewegen.
Ich habe lange gebraucht und nachgedacht, was unser Gedächtnis für eine Leistung schafft. Es ist gespeist vom göttlichen Gesetz. Es kann erinnern, vergegenwärtigen, über Punkt und Augenblick ausgreifen, um die menschliche Zeit in die Ewigkeit zu tauchen. Ein unwandelbares Licht ist in uns verankert, das macht uns würdig, dankbar und glückselig.
Unser Erkennen ist sichtbar mit dir vernetzt und verbunden. So wird, was wahr ist, mit Hilfe der ewigen Wahrheit gefunden. Du musst nur sorgen tagaus und tagein, dass keine Wolke der Begierde sich in den Wahrheitsstrom schleicht ein.
Du schenkst auch das Wollen und bewegst unserer Sehnsucht. Der Weg ist eingefärbt mit den Farben des höchsten Gutes.
So kann ich nun mutig pilgern und gehen, um am Ende der Tage deine vollkommene Schönheit zu sehen.
Br. Josef Bodensteiner
10. Schönheit und Wahrheit - die verwundete Schönheit
Über das Kreuz wird geredet und geschrieben seit 2000 Jahren. Kreuze werden aufgestellt seit 2000 Jahren. Kreuze sind Gegenstand der Kunst geworden, immer wieder in neuen Formen.
Dieses Kreuz gehört zu einer Vortragsreihe über das Schöne als Spur zu Gott. Das ist wohl paradox. Trotzdem: Dieses Kreuz will Schönheit und Wahrheit gleichermaßen betonen. Darum habe ich einen besonderen Titel für dieses Kreuz erkoren: Die verwundete Schönheit!
Wie kann ich mich nähern der Kraft dieses Bildes. Nichts ist unwichtig, überflüssig und ohne Gehalt. Es ist entstanden, ganz spontan, das Werk eine knappen Stunde. Es ist das Bild einer Seele, sicherlich. Denn irgendwo müssen die Farben ja liegen – verborgen - jetzt sind sie endlich im Licht.
Die Entstehung ist gewiss verwoben mit einem persönlichen Weg, an dem auch so manches Kreuz stand und steht. Die Farben waren nicht immer so freundlich und klar, aber das Kreuz und sein Heil, das bleibt immer wahr.
Die farbige Kraft ist nicht das Werk purer Werkstattkunst. Sie hat sich erst gemischt und geklärt im Lauf langer Jahre aus Leben, Suchen und Lieben, aus Ohnmacht, Zerbrechen und Frust. Die Genesung an den Wunden aber geschah wohl durch des Kreuzes Kraft. In ihm liegt doch die Schönheit als Wahrheit verborgen, auch wenn sie so tiefe Verletzungen sichtbar macht.
Die Heilung fließt aus den Wunden heraus. Sie sind die verlängerten Arme des Christus. Er umarmt jeden, der aufschaut zu ihm. Er eröffnet neu Wege zur ewigen Schönheit hin.
Das ganze Bild wirkt für mich persönlich schön. Das muss aber nicht jede und jeder so sehen. Nicht einmal das Kreuz stört die innere Harmonie und Proportionen. Nichts wirkt übertrieben und stört ein gesundes Empfinden. Die Ausgewogenheit des Hellen und Dunklen, der warmen Farben und des verblassten Teiles geben recht: Was wahr ist, ist auch schön und echt.
Es hat sich etwas geklärt, aufgeklärt. Der Horizont, blass weiß, bläulich ist ein Zeuge davon. Das Dunkle und Schwere ist wohl integriert. Es hat seine Kraft verloren. Es ist dazu verurteilt, die Klärung zu betonen. Verschwunden sind die Nebel all. Das Auge wird entlastet und das Herz allemal.
Die Tiefe öffnet einen freien Blick. Ein Raum tut sich auf, der wahrlich beglückt. Und er entlastet das Herz, das lange gedrückt. Von weit komme ich her, dahin will ich zurück. Es ist gut, den Weg zu sehen. Es ist wirkliches Glück.
Das Sonnenlicht im Hintergrund hat quer sich gelegt oder breit sich gemacht. Es bedeckt den ganzen Himmel, mein Leben, mit leuchtender Kraft. Nicht mehr nur ein Punkt leuchtet und strahlt. Nein, die ganz Weite ist erfüllt von dieser Urschönheit. Tiefe und Nähe gleichzeitig, sie laden jeden ein, den Weg zu gehen in Gott hinein.
Das Licht ist nicht nur fern und ganz weit oben. Es hat sich auch in die Tiefe vorgeschoben. Es füllt den Raum bis tief hinab. Es scheint so, wie wenn es aufleuchtet aus dem tiefen Grab. Geheimnisvoll hell, still und bescheiden, will es uns die Wucht des Ostermorgens gerne zeigen. Wer hat je diesen Ort – das Grab – bloß gemocht, Angst und Wut darin versteckt, Hass und Feindschaft vergraben. Christus, das Licht, die Liebe, ist für uns auch dorthin gegangen.
Das kräftige Gelb des Sonnenlichts wird getragen und begleitet vom Rot der Liebe, zumindest auf beiden Seiten. Unterbrochen, zerbrochen, gebrochen war dieses Rot. Eine Schlucht tat sich auf, unüberbrückbar wie der Tod. Der gähnende Schlund des Grabes drohte. Es war ausweglos, weil es gab viele Schuld und Sünden.
Eines Tages kam einer. So klingt ein Lied. Der gab sich herab und vollkommen her. Himmel und Erde erschauern daher immer wieder ob dieser frohmachenden Mär. Er hat überbrückt das, was gebrochen. Jetzt kann und muss jeder wieder glauben, lieben und hoffen. Er hat über die Schlucht den Kreuzbalken gelegt. Auch wenn er sich durchbiegt, wir dürfen wissen, dass er trägt.
Denn sieh dir bloß die Art der Verankerung an. Da staunt jeder Baumeister über dieses großartige Brückenbauprogramm. Die Nägel der Liebe halten jeden Zug aus. Alle Lasten und Sorgen, die jemals getragen und getragen werden, sind ein für alle Mal gehalten vom Hilfsprogramm, das vom Himmel kam und nun steht zwischen Himmel und Erde.
Ein Schimmer der Liebe vom Brückenpfad, er fällt wie Tau herab. Da kann jeder nehmen, sich bedienen, so viel er braucht, je nachdem wie er selber dienen mag. Keiner muss fürchten zu kurz zu kommen oder im Regen zu stehen. Das Dach der göttlichen Liebe und des Kreuzbalkens ist der beste Schutz dagegen. Hier hin zu flüchten in Kreuz und in Leid, das bietet sich an. Denn wo sonst ist der Ort, an dem uns dies alles genommen werden kann.
Versöhnung geschieht nicht aus eigener Kraft. Es braucht den göttlichen Fluss der Barmherzigkeit. Sie strömt aus den Wunden wie aus göttlichem Grund. Regenbogenfarbig zeigt sich dieses Angebot, wie der neue Bund. Dieser Bund ist Flamme und Kühlung zugleich. Mit Liebe sollst du getauft sein im Wasser des Geistes.
Jetzt ist die Erde benetzt und getränkt mit dem Blut der Versöhnung, so dass etwas Neues keimt. Es entsteht Leben ganz anders, erdverbunden aber himmelwärts. Es ist behütet vom sich herabbeugenden Kreuz. Die Umarmung ist spürbar. Sein Angebot steht.
Stumm und laut zugleich ist die Botschaft aus diesen Farben. Das kann jeder sehen. Es bleibt der Freiheit eines jeden einzelnen überlassen, ob er diese Schönheit will sehn. Gott wurde Mensch nicht ohne Grund, er hatte gesehen, wie es um uns stand. Da musste er handeln und lies sich herab. Jetzt wurde sichtbar seine alles überstrahlende Herrlichkeit. Durch seine Wunden sind wir geheilt!
Br. Josef Bodensteiner
11. Du bist die Schönheit!
Ich bin voll Dank, was soll ich sonst noch sagen. Ich gehe weiter meine stille Spur. Ob Glück oder Leid, ich werde beides tragen, weil ich den Sinn von Glück und Leid in der verwundeten Schönheit Christi erfuhr.
So stehe ich jetzt vor dir, gestärkt und voller Hoffnung. Und ich weiß, mein Leben findet weiterhin ebenerdig, am Boden statt. Ich kann wieder aufschauen zu Dir. Das tut mir unendlich gut. Fern und nah magst du sein. Ich brauche nichts zu fürchten, weil du mir leuchtest heim.
Unübersehbar hast du dich festgemacht in meinen Gehirnzellen, meinem Herzen und der ganzen Erkenntniskraft. Mächtig und verklärt wirkst du, aber schön. Du wurdest noch tiefer und größer in mir. Das kann ich auch spüren.
In dich hinein da kann man sehn. In dich hinein da will ich gehen. Dieses Ziel vor Augen auf Erden soll mein Pilgern verschönern mit Liebeswerken. Wer dich hat gesehen, der hebt auch nicht ab. Der weiß auch, von solchen geistigen Höhenflügen stürzt man schnell ab.
Trotzdem ich schaue gerne das Licht. Es beflügelt mein Tagwerk und gibt mir eine weite Sicht. Ich brauche ein Bild in meiner Seele, das hell ist und Platz macht - auch gegen den Unrat, den das Leben manchmal heranschafft. Immer wieder muss man dieses Licht meditieren. Es fördert den Abstand, die Gelassenheit und lässt nicht gleich explodieren.
Ich sehe hinein in Dich ganz lange und stumm. Ich sehe mich selber leuchten in deinen Grund. Ja, da komm ich auch her und da will ich auch hin, weil das der Ort ist, auf den die Schönheit der Schöpfung zeigt hin.
Hinein gehen in Dich. Dieser Gedanke fasziniert. Bisher bin ich nur neben dir her marschiert. Hinein gehen in Dich. Das zieht mich an. Du hast eine Spur gelegt in deine Welt, die ist unübersehbar, wenn man nur genug Ausschau hält.
Je länger ich hin schau auf dich, fern, unnahbar, scheinbar, und doch nah und greifbar. Ich weiß, du bist da. Du bist da, weil du tratest aus dir heraus. Der Sohn hat die Lichtspur der Liebe gezogen - von Dir zu mir und von mir zu Dir - nur darauf find ich nach Haus.
Für immer ist der Schrecken von Tod und Kreuz, als Kreuz der Welt, nun besiegt. Ich hab es vor Augen, wenn mir doch einmal eines im Wege liegt. Ich darf hoffen, auch da führst du mich vorbei oder durch. Du stärkst uns mit deinem Geist, deinem Brot und Wort. So gehe ich gern wieder an meinen Ort zu den Menschen, die mir anvertraut und mit mir gehen. Ich möchte ihnen wieder in die Augen sehn.
Denn Menschen sind wichtiger als Bilder. Bilder aber sind Hilfen für Menschen. So will ich auch diese Farben verstanden wissen, dass sie eine Spur legen zu Gott und den Menschen. Denn hinter den Farben, die hinziehen zu Gott, da lauert auch immer ein fragenden Wort:
Liebst du mich! Liebst du Gott und den Menschen zugleich?
Die Liebe Christ drängt uns, beides zu wagen. Das kann aber nur gelingen, wenn wir im Herzen das Wort „Du bist die Schönheit“ vor Augen haben.
Br. Josef Bodensteiner