Zeittafel
- 1193 (1194) Geburt Klaras in Assisi
- 1212 In der Nacht vom 18. zum 19. März flüchtet Klara aus dem Elternhaus und wird von Franziskus in der Portiunkula-Kapelle eingekleidet.
- 1212/13 Franziskus gibt Klara und ihren Schwestern eine kurze schriftliche "Lebensform" (forma vivendi).
- 1214/1215 Papst Innozenz III. gewährt für San Damiano das "Privileg der Armut".
- 1224/25 Beginn von Klaras schwerer Krankheit, die sich bis zu ihrem Tode hinzieht. Zur selben Zeit empfängt Franziskus die Wundmale Christi.
- 1226 3. Oktober: Franziskus stirbt.
- 1240 Überfall der Sarazenen auf San Damiano
- 1241 Befreiung Assisis durch Klaras Gebet
- 1247 Klara beginnt mit der Ausarbeitung der Regel.
- 1253 9. August: Papst Innozenz IV. bestätigt die Regel.
- 1253 11. August: Klara stirbt. Die Regel gibt man ihr mit ins Grab.
- 1255 15. August: Heiligsprechung Klaras durch Papst Alexander IV.
- 1260 Übertragung der Gebeine nach Santa Chiara
- 1850 Auffindung ihres Leibes
- 1872 Beisetzung in der neuen Krypta von S. Chiara
- 1893 Auffindung des Originals der Regel der hl. Klara
Biographie
Klara von Assisi
Klara von Assisi, eigentl. Chiara di Scifi, (um 1194–1253), italienische Ordensgründerin.
Eine der beiden Gründer des Zweiten Franziskanischen Ordens, des Ordens der Klarissen, war die heilige Klara von Assisi (um 1194–1253), geborene Chiara di Scifi. Sie stiftete diese Gemeinschaft zusammen mit dem heiligen Franz von Assisi (um 1182–1226). Klara war die erste Verfasserin einer Ordensregel für Frauen. Papst Pius XII. (1876–1958) ernannte sie 1958 zur Patronin des Fernsehens.
Chiara di Scifi kam um 1194 in der umbrischen Stadt Assisi (Italien) als älteste Tochter des Grafen di Scifi und seiner ebenfalls adligen Frau Ortolana zur Welt. Im Verlauf von Auseinandersetzungen zwischen dem Adel und dem aufstrebenden Bürgertum musste die Familie 1202 vorübergehend nach Perugia fliehen. Die Mutter unterrichtete Chiara sowie ihre jüngeren Schwestern Agnese und Beatrice im Haushalt und in Latein.
Nach einer Predigt des zwölf Jahre älteren Franziskus im Dom zu Assisi entschloss sich Klara, ihr Leben Gott zu weihen. Franziskus hieß eigentlich Giovanni di Bernardone, erhielt aber wegen der Abstammung seiner Mutter Johanna Pica den Vornamen Francesco („das Französlein“). Klara nahm mit Franziskus Kontakt auf, der sie in ihrem Vorhaben bestärkte und ihr seine Unterstützung zusagte.
Am Palmsonntag, dem 18. März 1212, gab der Bischof im Dom von Assisi Klara eine Palme als Zeichen seiner Zustimung zu ihrer Entscheidung. In der Nacht vom Palmsonntag auf den Karmontag – brach die 18-Jährige, die nach dem Willen ihrer Familie heiraten sollte, eine verschlossene Hintertür ihres Elternhauses auf und eilte zusammen mit ihrer Freundin und Verwandten Pacifica di Guelfuccio zur Kapelle „Portiunkula“ („kleines Stück Erde“) in der Ebene unterhalb von Assisi. Dort hatte Franziskus bereits 1210 den Ersten Orden („Ordo Fratum Minorum“ = OFM, deutsch: Minderbrüder) gegründet.
Laut Legende kniete Klara vor dem Altar der Portiunkula nieder und schnitt Franziskus ihr eigenhändig die schönen langen Haare ab. Dann legte Klara die kostbaren Gewänder und ihren Schmuck ab und zog eine grobe, schlichte und ungefärbte Kutte an, wie sie die Minderbrüder trugen. Außerdem nahm sie auch das andere äußere Zeichen der Buße, den Strick um die Hüften.
Franziskus brachte Klara noch in derselben Nacht zum Benediktinerinnenkloster „San Paolo delle Abbadesse“ bei Bastia, etwa eine Wegstunde westlich von Assisi entfernt, wo sie fürs erste Asyl fand. Ihre Angehörigen konnten sie weder mit guten Worten, Versprechungen, Schmeicheleien, noch mit Gewalt zurückbringen. Sie floh zum Altar, umfasste das Leinen darauf und enthüllte ihr geschorenes Haupt. Daraufhin ließ man sie endlich in Ruhe.
Weil Klara keine Benediktinerin werden wollte, führte Franziskus sie zur Kirche von „Sant’Angelo di Panso“, dem geistlichen Zentrum einer Frauengemeinschaft, die ohne Regel eine neue religiöse Lebensform als Pönitentinnen erprobte. Nach einigen Wochen zog Klara im April 1212 mit ihrer jüngeren Schwester Agnese und ihrer Freundin Pacifica nach „San Damiano“. Dort entstand allmählich das erste franziskanische Frauenkloster, dessen Kern von Frauen aus dem Haus di Scifi gebildet wurde: die verwitwete Mutter Ortolana, deren Töchter Klara, Agnese, Beatrice, deren Nichten Balvina und Amata, die Hausgenossinnen Filippa, Benvenuta und Christiana sowie die Freundin Pacifica.
Eine neue Gemeinschaft mit neuer Regel entsteht
Anfangs trug die Gemeinschaft den Namen „Arme Frauen von San Damiano“ („pauperes Dominae de San Damiano“), und ihre Mitglieder hießen Damianitinnen. 1515 wurde Klara zur Äbtissin gewählt. In ihren Briefen bezeichnete sie sich wiederholt als „unnütze und unwürdige Magd der Armen Frauen“ oder „demütigste und unwürdige Magd Christi und Dienerin der Armen Frauen“. Oft ging sie als letzte zu Bett, betete nachts lange, stand als erste auf, zündete die Lichter an, weckte jüngere Schwestern und rief sie zum kirchlichen Lobgebet. Wenn sie erkrankte, ließ sie sich auf ihrem Lager aufrichten und mit Kissen stützen, damit sie Handarbeiten konnte.
1216/1217 gab Franziskus Klara und ihren Schwestern eine kurze schriftliche Regel („forma vivendi“), die im Aufbau und Inhalt weitgehend der franziskanischen Urregel von 1209/1210 ähnelte. 1216 verlieh Papst Innozenz III. (um 1160–1216) der Ordenstifterin das „Privilegium Paupertatis“, das „Privileg der Armut“. Es garantierte Klara und ihren Schwestern ein Leben in absoluter Besitzlosigkeit und bedeutete gleichzeitig den Bruch mit allen Formen des Eigentums.
1218/1219 verfasste Kardinal Hugolino, der spätere Papst Gregor IX. (um 1170–1241, eine Regel für den Orden. Sie entsprach den Vorschriften des IV. Laterankonzils von 1215, fußte auf der „Regula Benedicti“ und berücksichtigte weder die Besitzlosigkeit noch die Verbindung zur Franziskusgemeinschaft. Klara beachtete diese Regel nur, soweit sie der „forma vivendi“ entsprach.
Als der Andrang von Laien, die teilweise verheiratet waren, zu den Franziskanern immer größer wurde, entstand 1221 der Dritte Orden, den man auch „Orden der Buße“ nennt. Dieser war für weltliche Gläubige (Terziaren), die eine christliche Lebensführung erstrebten, ohne in einen Orden eintreten zu wollen, bestimmt.
Im März 1225 suchte Franziskus, von den Wundmalen Christi gezeichnet, Klara in „San Damiano“ auf. Er litt nicht nur körperlich an den Folgen der Malaria, die Entwicklung seiner Bruderschaft hatte ihm seelische Wunden zugefügt, und er fühlte sich gescheitert. In dieser Situation rührte ihn Gott an, indem er Franziskus an sich und an den Kosmos band. Sein „Sonnengesang – im Italienischen „Cantino delle Creature“ („Gesang der Geschöpfe“) – ist nicht nur eines der schönsten Gedichte der Weltliteratur, sondern lebendiges und ausdrucksvolles Zeugnis dieser Verbundenheit aller Geschöpfe untereinander und mit Gott. Franziskus starb am 3. Oktober 1226.
Laut Legende soll Klara im September 1240 durch Hochhalten einer Monstranz und Gebet die plündernden Soldaten des exkommunizierten Kaisers Friedrich II. (1194–1250) vor Assisi aufgehalten und so ihre Geburtsstadt und ihr Kloster gerettet haben. Dem Gebet Klaras und ihrer Schwestern schreiben die Bürger Assisis auch die Errettung ihrer Stadt vor den Sarazenen im Juni 1241 zu. Noch heute findet daher jährlich am 22. Juni ein feierliches Erinnerungsfest statt, an dem auch der Bischof, das Domkapitel und die Stadtregierung teilnehmen.
Am 13. November 1245 erlaubte Papst Innozenz IV. (um 1195–1254) in einer von ihm geschriebenen Regel dem Orden gemeinsames Eigentum, doch Klara befolgte dies nicht. 1247 begann Klara selbst, eine Ordensregel für die Schwestern in „San Damiano“ auszuarbeiten. Als Papst Innozenz IV. Klara, deren Kräfte nach 29 Jahren schwerer Krankheit zusehends schwanden, in San Damiano besuchte, bat sie ihn um die Approbation ihrer Ordensregel.
Zwei Tage vor ihrem Tod erhielt Klara von Assisi am 9. August 1253 von Papst Innozenz IV. die ersehnte Bestätigung ihrer Ordensregel. Damals existierten bereits 70 Klarissenklöster. Am 11. August 1253 schloss Klara für immer ihre Augen. Ihre letzten Worte waren: „Herr, sei gepriesen, weil du mich erschaffen hast“.
Nach Klaras Tod
Klaras Leichnam wurde 1253 in der Kirche „San Giorgio in Assisi“ beigesetzt, wo man 1226 auch Franziskus vorübergehend bestattet hatte. Franziskus fand am 25. Mai 1230 in der zu seinem Gedächtnis errichteten Basilika „San Francesco“ seine letzte Ruhe. Papst Alexander IV. (gest. 1261) sprach Klara bereits zwei Jahre nach ihrem Tod am 15. August 1255 heilig. Ihr Gedenktag wird am 11. August begangen.
Die Gebeine Klaras bettete man am 3. Oktober 1260 in die Krypta der 1260 errichteten Basilika „Santa Chiara“ um, in die die Kirche San Giorgia eingegliedert ist. Bei der Öffnung ihres Sarkophages 1850 lag die Heilige wie eine Schlafende darin.
Im Querschiff der Grabeskirche „Santa Chiara“ in Assisi befindet sich ein Tafelbild der heiligen Klara aus dem 13. Jahrhundert. Das Werk des Künstlers, den man „Maestro di Santa Chiara“ nennt, stellt die Figur Klaras mit acht Szenen aus ihrem Leben dar. Thomas von Celano (um 1190–um 1260), der Biograph des heiligen Franziskus, beschrieb 1255/1256 in der „Legenda sanctae Clarae virginis“ auch das Leben und Werk Klaras.
Testament
Das Testament der heiligen Klara
1. Unter den verschiedenen Gnadengaben, die wir von unserem freigebigen Spender, dem Vater der Erbarmungen (2 Kor 1,3), empfangen haben und noch täglich empfangen, müssen wir ihm, dem Glorreichen, größten Dank sagen, denn groß ist unsere Berufung; je vollkommener und größer sie aber ist, desto mehr schulden wir ihr das Höchste. Daher sagt der Apostel: "Erkenne deine Berufung" (vgl. 1 Kor 1,26).
2. Der Sohn Gottes ist uns Weg (vgl. Joh 14,6) geworden, den uns unser seliger Vater Franziskus, sein wahrer Liebhaber und Nachfolger, durch Wort und Beispiel gezeigt und gelehrt hat.
3. Deshalb, geliebte Schwestern, müssen wir die uns erwiesenen unendlichen Wohltaten Gottes betrachten, besonders aber diejenigen, die Gott in uns durch seinen geliebten Diener, unseren seligen Vater Franziskus, zu wirken sich gewürdigt hat, nicht nur nach unserer Bekehrung sondern auch damals, als wir noch in der Eitelkeit der Welt weilten.
4. Denn als der Heilige bis dahin weder Brüder noch Gefährten hatte, als er fast sofort nach seiner Bekehrung die Kirche in San Damiano aufbaute, wo er, von göttlicher Tröstung völlig erfüllt, angetrieben wurde, die Welt ganz und gar zu verlassen, siehe, da weissagte er über uns in großer Freude und Erleuchtung des Heiligen Geistes, was der Herr später auch erfüllt hat.
Er stieg nämlich damals auf die Mauer der genannten Kirche und rief mit lauter Stimme in französischer Sprache einigen dort in der Nähe weilenden Armen zu: "Kommt und helft mir beim Bau des Klosters San Damiano; denn fürder werden dort Frauen wohnen, durch deren ruhmvollen und heiligen Wandel unser himmlischer Vater in seiner ganzen heiligen Kirche verherrlicht werden wird."
5. Darin also können wir die überreiche Güte Gottes gegen uns betrachten, der ob seiner überfließenden Barmherzigkeit und Liebe durch seinen Heiligen solches über unsere Berufung und Erwählung zu sprechen sich gewürdigt hat.
Und nicht nur über uns hat unser hochseliger Vater solches geweissagt, sondern auch über die anderen, welche kommen werden in der heiligen Berufung, zu welcher uns der Herr berufen hat.
6. Mit welcher Sorgfalt also, mit welchem Eifer des Geistes und Körpers müssen wir die Gebote Gottes und unseres Vaters beobachten, auf dass wir mit des Herren Beistand ihm das Talent vervielfältigt zurückgeben (vgl. Mt 25,15 ff). Der Herr selbst nämlich hat uns nicht allein den anderen Menschen als ein Vorbild zum Beispiel und Spiegel aufgestellt, sondern auch unseren Schwestern; denn sie hat der Herr zu dem gleichen Leben berufen, zu dem er uns berief, auf dass sie gleichfalls denen, die in der Welt wandeln, Spiegel und Beispiel seien. Da uns also der Herr zu so Großem berufen hat, dass diejenigen in uns sich spiegeln können, die anderen zum Beispiel und Spiegel sind, so sind wir gehalten, den Herrn besonders zu preisen und zu loben und uns überdies im Herrn zu stärken, Gutes zu tun.
Deshalb werden wir, wenn wir nach der genannten Weise leben, den anderen ein gutes Beispiel hinterlassen und durch geringste Mühe den Siegespreis ewiger Seligkeit erlangen.
7. Nachdem der himmlische Vater sich gewürdigt hatte, mein Herz durch seine Barmherzigkeit und Gnade zu erleuchten, dass ich nach dem Beispiel und der Lehre unseres hochseligen Vaters Franziskus Buße tue, habe ich bald nach seiner eigenen Bekehrung ihm freiwillig zusammen mit einigen Schwestern, die mir der Herr bald nach meiner Bekehrung gegeben hatte, Gehorsam versprochen, so wie uns der Herr durch dessen preiswürdiges Leben und dessen Lehre das Licht seiner Gnade verliehen hatte.
8. Als aber der selige Franziskus bemerkte, dass wir körperlich schwach und gebrechlich seien, trotzdem aber vor keiner Not, Armut, Beschwerde, Mühsal oder Niedrigkeit und Verachtung der Welt zurückscheuten, ja nach dem Beispiel der Heiligen und seiner Brüder dies sogar für große Wonne erachteten, wie er persönlich und seine Brüder häufig festgestellt haben, war er hocherfreut im Herrn. Und zur Liebe gegen uns bewegt, verpflichtete er sich, immer für uns wie für seine Brüder fleißig besorgt und auf eine ganz besondere Weise um uns bekümmert zu sein, sowohl in eigener Person als auch durch seinen Orden.
9. Und so gingen wir nach dem Willen des Herrn und unseres hochseligen Vaters Franziskus zur Kirche San Damiano, um dort zu wohnen; dort aber hat der Herr unsere Zahl in kurzer Zeit durch seine Barmherzigkeit und Gnade vermehrt, damit erfüllt werde, was der Herr durch seinen Heiligen vorausgesagt hatte; denn an einem anderen Orte hatten wir uns nur ganz kurze Zeit aufgehalten.
10. Später schrieb er uns die Lebensform nieder und betonte am meisten, dass wir immer in der heiligen Armut verharren sollten.
Und er war nicht damit zufrieden, uns zu seinen Lebzeiten durch viele Predigten und Beispiele zur Liebe und Beobachtung der heiligsten Armut zu ermuntern, vielmehr hinterließ er uns mehrere Schreiben, damit wir nach seinem Tode in keiner Weise von ihr abweichen, gleichwie der Sohn Gottes, solange er auf Erden lebte, niemals von dieser heiligen Armut abweichen wollte.
Seinen Fußspuren nachfolgend ist auch unser hochseliger Vater Franziskus, solange er lebte, niemals von der heiligen Armut, die er für sich und seine Brüder erwählt hat, abgewichen, weder in seinem Beispiel noch in seiner Lehre.
11. Ich, Klara, Christi und der Armen Schwestern des Klosters San Damiano obschon unwürdige Magd und kleine Pflanze des heiligen Vaters, habe mit meinen Mitschwestern unsere höchste Berufung und das Gebot eines so großen Vaters überdacht, zugleich aber auch die Gebrechlichkeit der anderen Schwestern, die wir nach dem Heimgang unseres heiligen Vaters Franziskus, der unsere Säule, nächst Gott unser einziger Trost und unsere Stütze war, auch für uns fürchteten; darum haben wir uns immer und immer wieder freiwillig unserer heiligsten Herrin Armut verpflichtet, damit nach meinem Tode die Schwestern, die jetzigen und die kommenden, auf keine Weise sich von ihr abzuwenden imstande wären.
12. Und wie ich immer eifrig bemüht und besorgt gewesen bin, die heilige Armut, die wir dem Herrn und unserem heiligen Vater Franziskus zu beobachten und von den anderen beobachten zu lassen versprochen haben, so sollen auch die anderen Äbtissinnen, die mir in meinem Amte nachfolgen, gehalten sein, bis ans Ende sie selbst immer zu beobachten und von ihren Schwestern beobachten zu lassen.
Ja, zur größeren Sicherheit war ich besorgt, vom Herrn Papst Innozenz, zu dessen Zeit wir angefangen haben, und von seinen Nachfolgern, unser Gelübde der heiligsten Armut, das wir auch unserem Vater versprochen haben, durch ihre Privilegien bekräftigen zu lassen, damit wir zu keiner Zeit und auf keine Weise von ihr abweichen.
13. Darum verneige ich mich ganz, mit Leib und Seele, ich beuge meine Knie und empfehle alle meine Schwestern, die gegenwärtigen und die kommenden, der heiligen Mutter, der Römischen Kirche, dem Papste und besonders dem Herrn Kardinal, der für den Orden der Minderbrüder und uns bestimmt ist. Um der Liebe jenes Herrn willen, der arm in der Krippe lag, arm in der Welt lebte und nackt am Marterholze verblich, möge der Herr Kardinal allzeit seine kleine Herde die heilige Armut beobachten lassen, die wir Gott und unserem hochseligen Vater Franziskus versprochen haben, und er möge die Schwestern in dieser Armut immer bestärken und erhalten. Diese kleine Herde hat ja der Herr und Vater in seiner heiligen Kirche durch das Wort und das Beispiel des seligen Vaters Franziskus erweckt, welcher der Armut und Demut seines geliebten Sohnes und der glorreichen Jungfrau, seiner Mutter, nachgefolgt ist.
14. Der Herr hat unseren hochseligen Vater Franziskus zum Gründer, Pflanzer und Helfer im Dienste Christi und in all dem gegeben, was wir Gott und diesem unserem Vater versprochen haben, der zu seinen Lebzeiten in gleicher Weise in Wort und Tat besorgt war, uns, seine kleine Pflanze, zu hegen und zu pflegen. Ebenso empfehle ich nun meine zurückbleibenden Schwestern, die gegenwärtigen und kommenden, dem Nachfolger unseres seligen Vaters Franziskus und dem ganzen Orden. Sie mögen uns helfen, im Dienste Gottes stets zum Besseren voranzuschreiten und vor allem die heilige Armut besser zu beobachten.
15. Wenn es sich aber ereignen sollte, dass die genannten Schwestern zu irgendeiner Zeit die genannte Stätte verlassen und sich an eine andere begeben, so sollen sie nichtsdestoweniger verpflichtet sein, nach meinem Tode, wo immer sie auch sein mögen, die genannte Lebensweise der Armut, die wir Gott und unserem hochseligen Vater Franziskus versprochen haben, zu beobachten.
16. Es seien jedoch sowohl jene Schwester, die mein Amt innehat, als auch die anderen Schwestern stets besorgt und bedacht, um die genannte Stätte herum nicht mehr Land zu erwerben oder anzunehmen, als die äußerste Notwendigkeit für einen Garten zum Anbau von Gemüse erfordert.
Wenn es aber zu irgendeiner Zeit für das auskömmliche Leben in der Abgeschiedenheit des Klosters notwendig sein sollte, außerhalb des Gartenzaunes noch mehr Land zu haben, so sollen sie nicht gestatten, mehr zu erwerben, als die äußerste Notwendigkeit fordert; und dieses Land soll gar nicht bearbeitet und besät werden, sondern stets brach und unbebaut liegenbleiben.
17. Ich mahne aber inständig im Herrn Jesus Christus alle meine Schwestern, die gegenwärtigen und kommenden, sich immer zu bemühen, den Weg heiliger Einfalt, Demut und Armut nachzugehen, wie auch einen ehrbaren und heiligen Wandel zu führen; so nämlich wurden wir seit dem Anfang der Bekehrung zu Christus von unserem seligen Vater Franziskus belehrt. Darum sollen die Schwestern nicht durch ihre Verdienste, sondern einzig durch die Barmherzigkeit und Gnade des freigebigen Spenders, welcher "der Vater der Erbarmungen" (2 Kor 1,3) ist, sowohl jenen, die fern, als auch denen, die nahe sind, stets den Duft eines guten Rufes verbreiten.
18. Und liebet einander mit der Liebe Christi und zeiget die Liebe, die ihr im Herzen habt, auch nach außen durch die Werke, damit die Schwestern, durch dieses Beispiel aufgefordert, stets in der Liebe Gottes wachsen und einander immer mehr lieben.
19. Ich bitte auch jene, welche das Vorsteherinnenamt bei den Schwestern innehaben wird, sie möge sich bemühen, die anderen mehr durch Tugenden und heiligen Wandel als durch das Amt zu überragen, auf dass die Schwestern, von ihrem Beispiel entzündet, ihr nicht so sehr wegen des Amtes, als vielmehr aus Liebe gehorchen.
Sie soll auch rücksichtsvoll und fürsorglich ihren Schwestern gegenüber sein wie eine gute Mutter gegen ihre Töchter; besonders aber soll sie sich bemühen, sie nach dem Bedürfnis einer jeden mit den Gaben zu versorgen, die der Herr geben wird. Sie soll auch so gütig und umgänglich sein, dass sie ihr sorglos ihre Nöte offenbaren und zu jeder Stunde sich vertrauensvoll an sie wenden können, wie es ihnen förderlich scheint, sowohl für sich persönlich als auch für ihre Mitschwestern.
20. Die Schwestern aber, die Untergebene sind, sollen eingedenk sein, dass sie um des Herrn willen dem eigenen Willen entsagt haben. Daher will ich, dass sie ihrer Mutter gehorchen, wie sie mit freiem Willen dem Herrn versprochen haben. Die Mutter soll beim Anblick der gegenseitigen Liebe, Demut und Eintracht alle Last, die sie von Amts wegen trägt, leichter tragen. Und das Lästige und Bittere möge ihr um deren heiligen Wandels willen in Süßigkeit verwandelt werden.
21. Und weil der Weg und Pfad, auf dem man geht, eng und die Pforte, durch die man zum Leben eintritt, schmal ist, so sind es nur wenige, die darauf wandeln und durch sie eintreten (vgl. Mt 7,13 f), und wenn es schon wenige sind, die eine Zeitlang darauf wandeln, so sind es die wenigsten, die auf ihm ausharren. Selig aber jene, denen es gegeben ist, auf ihm zu wandeln und auszuharren bis ans Ende (vgl. Mt 10,22).
22. Wir sollen uns also hüten, wenn wir schon den Weg des Herrn betreten haben, dass wir keineswegs durch unsere Schuld, Nachlässigkeit und Unwissenheit zu irgendeiner Zeit davon abweichen, damit wir nicht einem so großen Herrn, seiner jungfräulichen Mutter, unserem seligen Vater Franziskus, der triumphierenden und auch der streitenden Kirche Schande machen.
Es steht nämlich geschrieben: "Verflucht, die abweichen von deinen Geboten!" (Ps 118,21).
23. "Um dessentwillen beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus" (Eph 3,14), damit durch die fürbittenden Verdienste der glorreichen, heiligen Jungfrau Maria, seiner Mutter, unseres hochseligen Vaters Franziskus und aller Heiligen der Herr selbst, der einen guten Anfang verliehen hat, auch das Gedeihen gebe (vgl. 1 Kor 3,7), auch gebe er immer Beharrlichkeit bis ans Ende. Amen.
24. Dieses Schreiben hinterlasse ich euch, meine geliebtesten und teuersten Schwestern, den gegenwärtigen und zukünftigen, damit es besser beobachtet werde, als Zeichen des Segens des Herrn und unseres hochseligen Vaters Franziskus und des Segens eurer Mutter und Magd.
Segen
Der Segen der heiligen Klara
Unser Herr segne Dich und behüte Dich und zeige Dir sein Angesicht und erbarme sich Deiner. Er wende Dir sein Antlitz zu und schenke Dir den Frieden.
Ich, Klara, eine Dienerin Christi, eine Pflanze unseres hochseligen Vaters, des heiligen Franziskus, Deine Schwester und Deine sowie der anderen Armen Schwestern Mutter, obschon eine unwürdige, bitte unseren Herrn Jesus Christus durch seine Barmherzigkeit und durch die Fürsprache seiner heiligsten Mutter Maria, des heiligen Fürstengels, des heiligen Michael, und aller Heiligen Gottes, unseres seligen Vaters, des heiligen Franziskus, und aller Heiligen beiderlei Geschlechts, der himmlische Vater gebe und bestätige Dir im Himmel und auf Erden diesen seinen allerheiligsten Segen; auf Erden mehre er Dich in Gnaden und in seinen Tugenden unter seinen Dienern und Dienerinnen in der streitenden Christenheit, im Himmel erhöhe und ehre er Dich in der triumphierenden Christenheit, in der Schar seiner Heiligen.
Ich segne Dich in meinem Leben und nach meinem Tode, soviel ich vermag, und mehr als ich vermag, mit all dem Segen, mit dem der Vater der Erbarmungen (2 Kor 1,3) seinen Sohn und seine Tochter im Himmel und auf Erden gesegnet hat und noch segnen wird, und mit dem ein geistlicher Vater und eine geistliche Mutter ihre geistlichen Söhne und Töchter gesegnet haben und noch segnen werden. Amen.
Allezeit liebe ich Deine Seele und alle Deine Schwestern. Ich bitte Dich, Du mögest das mit Fleiß bewahren, was Du dem Herrn gelobt hast.
Unser Herr sei mit Dir zu allen Zeiten, und gebe Gott, dass Du allezeit mit ihm seiest. Amen.
Aus ihren Briefen
Aus dem ersten Brief an Agnes von Prag
O selige Armut!
Denen, die sie lieben und empfangen,
gewährt sie ewige Reichtümer!
O heilige Armut!
Wer sie besitzt und sich nach ihr verzehrt,
dem wird von Gott das Himmelreich verheißen
und ohne Zweifel wartet seiner ewiger Ruhm und seliges Leben.
O milde Armut!
Sie hat der Herr Jesus Christus,
der Himmel und Erde regierte und regiert;
der auch sprach und es ward
vor allem anderen erwählt und an sich gezogen.
Aus dem zweiten Brief an Agnes von Prag
Sei eingedenk Deines Vorsatzes
und blicke wie eine zweite Rachel stets auf Deinen Anfang.
Was Du hältst, das halte weiter fest,
was du tust,das tue weiter und lass nicht ab.
In raschem Lauf, mit leichtem Schritt
und ohne mit dem Fuße anzustoßen,
so dass Deine Schritte kaum Staub aufwirbeln,
sicher, freudig und munter
schreite achtsam voran
auf dem Weg der Seligkeit.
Verweigere Dein Vertrauen oder Einverständnis allem,
was Dich von diesem Vorsatz abzubringen sucht,
was Dir ein Stein auf Deinem Weg werden könnte,
so dass Du nicht in jener Vollkommenheit,
zu der Dich der Geist des Herrn gerufen hat,
dem Allerhöchsten Deine Gelübde erfüllen könntest.
Wenn Du mit ihm leidest, wirst Du mit ihm herrschen,
wenn Du mit ihm trauerst, wirst Du Dich mit ihm freuen,
wenn Du mit ihm am Kreuze der Bedrängnis stirbst,
wirst Du mit ihm im Glanz der Heiligen die himmlischen Wohnungen besitzen,
und Dein Name wird im Buch des Lebens aufgezeichnet werden,
und er wird ruhmreich sein unter den Menschen.
Aus dem dritten Brief an Agnes von Prag
Stelle Dein Denken vor den Spiegel der Ewigkeit,
stelle Deine Seele in den Abglanz der Herrlichkeit;
stelle Dein Herz vor das Bild der göttlichen Wesenheit,
und forme Deine ganze Person durch die Beschauung
in das Bild seiner Gottheit um,
damit Du empfindest, was seine Freunde empfinden,
wenn sie die verborgene Süße verkosten,
die Gott selbst von Anbeginn für die aufbewahrt hat, die ihn lieben.
Aus dem vierten Brief an Agnes von Prag
Ja, wahrhaft glücklich die, der es gegeben wird,
diese heilige Vermählung zu genießen,
um mit allen Fasern des Herzens dem anzuhangen,
dessen Schönheit alle seligen Scharen des Himmels
unaufhörlich bewundern,
dessen Liebe anzieht,
dessen Anblick erquickt,
dessen Güte den Hunger stillt,
dessen Süßigkeit erfüllt,
an den zu denken einem süßen Lichtstrahl gleicht,
durch dessen Wohlgerucht Tote wieder aufleben werden,
dessen glorreicher Anblick selig machen wird
alle Bürger des himmlischen Jerusalems.
Da er die Pracht der ewigen Herrlichkeit
und der Glanz des ewigen Lichtes ist,
ist er auch ein Spiegel ohne Makel.
Seligpreisungen
Seligpreisungen zu Clara von Assisi
Selig, die auf der Sonnenseite geboren sind,
eine glückliche Kindheit erleben
und reiche Gaben mit ins Leben bekommen:
Sie werden viel zu teilen haben!
Selig, wer begabt ist, an sich selber arbeitet
und in seinen Begabungen gefördert wird:
Menschen und Himmel werden sich über die Früchte freuen!
Selig, die über ihren Kreis hinausschauen
und von Menschen ergriffen werden,
die mit leeren Herzen oder leerem Blick im Schatten stehen:
Sie werden schon mit kleinen Schritten Brücken bauen.
Selig, die vorgegebene Lebenspläne in Frage stellen
und mutig der eigenen Sehnsucht folgen:
Sie werden, verstanden oder unverstanden, Mauern durchbrechen
und erfahren, wie befreiend und verbindent Menschsein ist.
Selig, die Gottes Spuren ganz unten suchen und dem Rabbi folgen,
auch wenn der Weg mit ihm ein Abenteuer wird:
Der Menschensohn wird ihre Sorgen teilen, ihre Liebe stärken
und ihr Leben hundertfach erfüllen.
Selig, die wie Claras Schwestern Stadt und Stille verbinden
und ihre steinige Erde vom Himmel berühren lassen:
Sie finden eine Lebensfülle, wie keine Werbung sie verheisst,
und wachsen in eine Liebe, die niemanden ausschliesst.
Selig, die nur noch einen einzigen Vater kennen
und jede irdische Autorität dem einen Abba unterstellen.
Sie werden auch Mächtigen frei begegnen
und erfahren, dass auf die Sorge des Einen Verlass ist.
Selig, die in Menschen aus allen Provinzen und Ländern
Schwestern und Brüder entdecken
und auf den Geist vertrauen, der in jedem und jeder wirkt:
Sie werden miteinander feiern am Ziel, das alle vereint.
Br. Niklaus Kuster
Gedichte
gewagtes leben
zukunft suchen in nacht und nebel
den aufbruch formen
dem fackelschein der freunde vertrauen
geleit im herzen von freundinnen
sehnsüchtig folgen dem geistesruf
heimat finden gemeinsam
in armen kirchen leben
am kreuz das auch dort niemals auszieht
ein offenherziger christus erwartungsvoll
gastfreundlich geborgen und frei
nähe spiegeln wieder und wieder
gott in die welt tragen
den langen atem der liebe
vor freude am himmel nicht lassen
gesegnet sein und es wissen
und sagen
heute noch
Martina Kreidler-Kos
gottesreich
vor gott
ist jede arm
jede ein herzenskind
eine tochter
eine freundin des himmels
eine liebste
vor gott
ist jede reich
beschenkt
Martina Kreidler-Kos
gerufen
staunt
schwestern
groß ist unsere berufung
lebt
voll freude und dank
was ihr bekommen habt
nicht allein für euch
lebt
Martina Kreidler-Kos
Spiegelbild
heute
leer sein
und zugleich sonnenklar
erwartungsvoll hier
mit meinen gedanken
nicht anderswo
geistesgegenwärtig
nicht im gestern
oder schon morgen früh
mein gesicht zeigen
ich habe kein anderes
im spiegel sehen
das gotteswerk
spieglein spieglein
an der wand
ich bin geliebt
von gott
erkannt
Martina Kreidler-Kos