Zeittafel
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1217 (1221) in Bagnoregio (bei Orvieto) geboren
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1235-1243 Ausbildung in den Artes, Studium der Philosophie in Paris
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1243 Eintritt bei den Minderbrüdern, Studium der Theologie
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1248-1253 Baccalaureus (Assistent) der Theologie
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1253/54 Promotion zum Magister (Professor) der Theologie
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1254-1257 Lehrtätigkeit
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2.2.1257 zum Generalminister des Minderbrüderordens gewählt
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Okt. 1259 Aufenthalt auf La Verna, Itinerarium mentis in Deum
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1260 Generalkapitel von Narbonne
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ab 1261 Abfassung der beiden Lebensbeschreibungen des hl. Franziskus
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1263 Generalkapitel von Pisa
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1266 Generalkapitel von Paris
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1267-1273 Universität Paris
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28.5.1273 Ernennung zum Kardinalbischof von Albano
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11./12.11.1273 Bischofsweihe in Lyon
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Mai-Juli 1274 Teilnahme am II. Konzil von Lyon
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15.7.1274 in Lyon gestorben und begraben
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1434 Übertragung der Gebeine in die neuerbaute Franziskanerkirche
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14.4.1482 Heiligsprechung
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14.3.1588 Erhebung zum Kirchenlehrer durch Papst Sixtus V.
Itinerarium mentis in Deum
Auf dem Berg La Verna entstand das wohl berühmteste Werk Bonaventuras,das Itinerarium mentis in Deum - wörtlich: "Beschreibung des Weges des menschlichen Geistes in Gott hinein".
Bonaventura gibt durch diesen Titel zu erkennen, was er mit dem Werk will. Bonaventura beschreibt nicht eine Reise mit den Füßen, sondern mit dem "Geist". Die Reise geht nicht ins Heilige Land auf Erden (in terram sanctam), sondern in Deum: die Zielangabe ist Gott selbst.
Gott nähert man sich nicht räumlich, sondern man tritt in seine Gegenwart, etwa wie den getreuen Knecht gesagt wird: "Geh ein in die Freude deines Herrn".
Auszüge aus dem Itinerarium
Im Anfang rufe ich den Ersten Anfang an,
von dem alle Erleuchtungen herabsteigen,
denn er ist ja der Vater der Lichter,
von dem jede gute Gabe
und jedes vollkommene Geschenk stammt;
ich rufe den ewigen Vater an,
durch seinen Sohn, unseren Herrn
Jesus Christus:
Er verleihe uns auf die Fürsprache der heiligsten
Jungfrau Maria,
der Mutter eben dieses unseres Herrn und Gottes
Jesus Christus,
und des seligen Franziskus, unseres Anführers und
Vaters,
erleuchtete Augen des Geistes,
um unsere Füße zu lenken auf den Weg jenes
Friedens, der alles Empfinden übersteigt.
Der Leser soll nicht glauben,
das Lesen nütze ihm etwas ohne die Salbung,
das Schauen in den Spiegel ohne vertrauensvolle Hingabe,
das Forschen ohne Staunen,
ein umfassendes Erwägen ohne den Jubel des Geistes,
beflissenes Studium ohne innere Anhänglichkeit,
Wissen ohne Liebe,
Verstandeskraft ohne Demut,
eigenes Bemühen ohne göttliche Gnade oder ein Spiegel ohne den Anhauch der Weisheit von Gott.
Führe mich, Herr auf deinem Weg,
und ich werde eintreten in deine Wahrheit,
mein Herz soll sich freuen,
damit es deinen Namen fürchtet.
Wunderbar strahlt dein Licht von den ewigen Bergen,
in Verwirrung gerieten alle, deren Herz voller Torheit ist.
Wenn du nun fragst, wie das geschehen soll,
dann frage die Gnade, nicht die Lehre,
die Sehnsucht, nicht die Erkenntnis,
das Seufzen des Gebetes, nicht das beflissene Lesen,
den Bräutigam, nicht den Lehrer,
Gott, nicht einen Menschen,
die Dunkelheit, nicht die Klarheit,
nicht das Licht, sondern das Feuer,
das ganz und gar in Brand setzt,
und durch unaussprechliche Salbung
und glühende Herzensbewegung in Gott hinüberträgt.
Das Schöne - Spur zu Gott
Pulcrum est vestigium – Bonaventuras < Itinerarium mentis in Deum > als Modell einer theologischen Ästhetik
So lautet der Titel der Diplomarbeit aus dem Jahre 2003 von Br. Josef Bodensteiner, jetzt Guardian des Konventes Köln. Die Arbeit untersucht das pulcrum, das Schöne, in der vielleicht bekanntesten und schönsten Schrift Bonaventuras.
Bonaventura hat die Frage nach dem Schönen nicht ausdrücklich zu einer Kernfrage seiner Philosophie mit einem eigenen Traktat gemacht. Sein lebhaftes Empfinden für die Schönheit Gottes und seine Schöpfung ist vielmehr in seine Werke eingewoben gleichsam als eine von vielen Spuren, die ihn verbindet mit der Sicht- und Lebensweise seines Ordensvaters Franz von Assisi und die ihn drängt, den Weg zum Frieden der Seele zu suchen und zu beschreiben.
In der Architektonik des Itinerariums verdichten sich die einschlägigen Termini zur pulcritudo (Schönheit) aus den gesamten Werken Bonaventuras dergestalt, dass man von einem Modell einer theologischen Ästhetik sprechen kann.
Die Diplomarbeit schließt mit einer franziskanischen Konsequenz:
Die Tradition, in der Bonaventura lebte, verstand die göttliche Herrlichkeit als Schönheit seiner Weisheit. Diese Schönheit der Weisheit erscheint Franz von Assisi in der Gestalt des gekreuzigten Seraphs. Dahin aber führt nur die glühende Liebe zum Gekreuzigten.
Das Übermaß an Offenbarkeit ist die eigentliche Verborgenheit des christlichen Gottes; das Übermaß an Licht, das unfassbar bleibt, erfordert den Glauben, das Übermaß an Liebe im Gekreuzigten erfordert die reine Demut und Selbstübergabe, ja das Übermaß an göttlicher Verschwendung fordert gebieterisch die totale Armut, die als menschliche Gebärde des Weggebens von allem die menschenmögliche exakte Antwort ist auf Gottes Allhingabe bis zum Kreuz. Die Absicht des Franziskus ging daher auf die höchste Armut, was besagt, alles zu verlassen und von allem losgelöst zu sein.
Diese franziskanische Lehre ist schon bei Bonaventura krönender Abschluss seiner ganzen Schönheitslehre, sofern die ekstatische Liebe, die sich an den Ausdrucksformen der sich hingebenden Liebe Gottes entzündet, hindurchdringt bis zum Urquell, dem alle Schönheit scheinend entströmt.
Und so lädt Gott durch Franziskus alle wahrhaft geistlich Gesinnten zu dieser Erhebung und Geistesentrückung ein, mehr durch sein Beispiel als durch sein Wort.
Denn es gilt:
Pulcrum est vestigium – Christus est pulcritudo!
Das Schöne ist die Spur – Christus ist die Schönheit!