Zeittafel
- 1182 (1181) Geburt des hl. Franz in Assisi
- 1202-1203 Gefangenschaft in Perugia
- 1205 Kriegszug nach Apulien, vorzeitige Rückkehr von Spoleto nach Assisi
- um 1206 Berufungsereignis vom dem Kreuz von San Damiano
- 1206 (1207?) Enteignung vor dem Bischof von Assisi
- 1207-1208 Wiederherstellung der drei Kapellen S. Damiano, S. Pietro und s. Maria degli Angeli
- 1209 Hören des Evangeliums von der Aussendung der Apostel in Portiunkula; Anschluss der ersten Gefährten
- 1210 (1209) Mündliche Bestätigung der Ur-Regel in Rom
- 1223 Bestätigung der endgültigen Regel
- 1223 Krippenfeier in Grecci
- 1224 Stigmatisation
- 3.10.1226 Tod des hl. Franz von Assisi
- 1228 Heiligsprechung
Biographie
Franz von Assisi - Der „Poverello“ und die Brüder von der Buße
Nein, ein einfacher Zeitgenosse war er wohl nicht, der junge Mann aus Assisi, der im Winter 1181/1182 in der wohlhabenden Bürgerfamilie Bernardone geboren wird. Seine Mutter Pica gibt ihm den Namen Giovanni, während sein Vater Pietro, von Beruf Tuchhändler, geschäftlich in Frankreich unterwegs ist. Von Pietro schließlich erhält der Sohn Johannes den Spitznamen „das kleine Französlein“, Francesco also.
Vom Playboy zum Ritter
In seiner Jugend ist Franziskus ein richtiger Lebemann: auf der Piazza von Assisi singt er französische Lieder, er trifft sich gerne mit seinen Freunden, gibt viel Geld aus, trägt übertrieben teure Kleidung und schmeißt die Runden. Er steht gerne im Mittelpunkt des Geschehens und liebt es, beachtet und geschätzt zu sein. Obwohl sein Vater alles dafür tut, dass Franziskus eine gute Bildung erhält, um später sein Tuchgeschäft übernehmen zu können, träumt Franz jedoch von einer anderen Karriere. Er will Ritter werden wie viele junge Männer des aufstrebenden Bürgertums. Diese soziale Schicht ist etwas Neues: man gehört weder zum Adel noch zum einfachen Volk, sondern gewinnt durch Handel und Geldwirtschaft zunehmend Macht und Einfluss. Ritter zu sein und seine neu gewonnene Stellung zu behaupten, bedeutet Ehre, nach der Franziskus so sehr strebt. Mit 20 Jahren zieht er 1202 hoch zu Pferd in den Bürgerkrieg zwischen den Städten Assisi und Perugia, wobei Assisi in der Schlacht von Colestrada unterliegt und Franziskus in Gefangenschaft gerät.
Der einstige sorgenfreie Spaßvogel ist nach seiner über einjährigen Inhaftierung erschüttert und von einer Krankheit heimgesucht. Niederlagen waren ihm bisher unbekannt. Dennoch will er seinen Rittertraum nicht begraben und 1205 nach Apulien reisen, wo der Lehnsmann des Papstes, Walter III. von Brienne, in einem Kriegszug gegen die Staufer die Herrschaft des Papstes zurückerobern will.
Die Stimme dreht ihn um
Doch bis nach Apulien kommt Franziskus noch nicht einmal, denn eines Nachts hat er einen Traum, von dem später sein Biograph Thomas von Celano (1190-1260) in seiner zweiten Lebensbeschreibung berichtet: Zunächst sieht Franziskus einen herrlichen Palast mit einer gefüllten Waffenkammer und verschiedenen Rüstungen. Eine Stimme verspricht ihm, nach dem Apulien-Kriegszug all das zu erhalten, woraufhin sich Franziskus in Anbetracht des großen Ruhmes schnell locken lässt. Dann aber hört er erneut jemanden im Traum sagen: „‚Wer kann Dir Besseres geben: der Herr oder der Knecht?’ Franziskus antwortete: ‚Der Herr’, worauf jener erwiderte: ‚Warum suchst Du dann den Knecht statt den Herrn?’ Darauf Franziskus: ‚Was willst du, Herr, das ich tun soll?’ ‚Kehre zurück in das Land deiner Geburt’, sprach der Herr zu ihm, ‚denn ich will deine Vision in geistlicher Weise erfüllen.’“ (2 Cel 6)
Franziskus wechselt die Seiten. Von jetzt ab zählt der Vater im Himmel.
Er erkennt, dass Gott zu ihm gesprochen hat, reist umgehend zurück nach Assisi und ändert von nun an sein Leben radikal. Nur Gott wird es sein, der ihm den wahren Reichtum verschafft, den er immer gesucht hat. Als einmal in der Kirche von San Damiano Jesus von der dortigen Kreuzesikone herab zu ihm spricht „Franziskus, geh hin und stell mein Haus wieder her, das, wie du siehst, ganz verfallen ist!“ (2 Cel 10), baut er zunächst drei Kirchen wieder auf. Die dafür benötigten Steine erbettelt er. Er zieht sich zunehmend mehr in die Einsamkeit zurück, verachtet den Reichtum, der bisher sein Leben bestimmt hat, und verschenkt Almosen an Bettler und Aussätzige, woraufhin er mit seinem Vater Pietro in Konflikt gerät. In einer dramatischen Aktion wird er sich später auf dem Domplatz ganz ausziehen und seinem Vater all seine Kleider und das Geld zurückgeben. Bischof Guido wird ihn mit seinem Mantel bedecken und sein Beschützer und Gönner werden.
„Ja, das ist’s!“
Er beginnt ein Leben mit der „Braut und Herrin Armut“, pflegt die Aussätzigen am Straßenrand und lässt Gott in seinem Leben das Sagen haben. „Il Pazzo“, rufen die Menschen ihm zu. „Der Verrückte!“ Ja, er ist es tatsächlich geworden: ver-rückt. In seinem Testament erinnert er sich an seinen Lebenswandel: „So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen: denn als ich noch in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. Und danach hielt ich eine Weile inne und verließ die Welt.“ (Test 1-3)
Als er in der Messe am Fest des Hl. Matthias 1209 (24. Februar) in der Portiunkulakapelle am Fuße des Monte Subasio aus dem Matthäusevangelium von Jesu Aussendung der Jünger hört, die ohne Stab, ohne Schuhe, ohne zweiten Rock und ohne Geld das Reich Gottes predigen sollten, triumphiert Franziskus und ruft: „Das ist’s, was ich will, das ist’s, was ich suche, das verlange ich aus innerstem Herzen zu tun.“ (1 Cel 22) Und sogleich legt er sein Gewand ab, zieht sich einen einfachen Rock an, tauscht den Ledergürtel gegen einen einfachen Strick und predigt Buße und Umkehr. Er wird zum „Poverello“, zum „kleinen Armen“. Denn Gott ist nun sein Gewinn.
Das Franziskus-Leben steckt an
Von seinem Lebenswandel begeistert und von seinen Predigten fasziniert, schließen sich Franziskus immer mehr junge Männer an, die mit ihm arm und wie Pilger und Fremdlinge durch die Welt ziehen, so dass eine ursprünglich von ihm nicht beabsichtigte Gemeinschaft entsteht. Franziskus selbst schreibt dazu: „Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hatte, zeigte mir niemand, was ich tun sollte, sondern der Höchste selbst hat mir offenbart, dass ich nach der Form des heiligen Evangeliums leben sollte. Und ich habe es mit wenigen Worten und schlicht aufschreiben lassen, und der Herr Papst hat es mir bestätigt.“ (Test 14-15) Diese hier genannte erste Regel von 1209, die wohl nur aus einigen Zitaten aus den Evangelien bestand, lässt sich Franziskus 1210 von Innozenz III. in Rom mündlich bestätigen, so dass er sich der kirchlichen Anerkennung seiner jungen Gemeinschaft für ein Leben in Armut und mit dem Auftrag der Bußpredigt sicher sein kann.
Die Gemeinschaft der „Brüder von der Buße“ wächst beständig weiter. Zwei weitere Regeln entstehen im Laufe der Jahre, so dass die endgültige Regel von Papst Honorius III. mit einer Bulle vom 29. November 1223 schriftlich bestätigt wird.
Noch heute legen die Franziskanerbrüder ihre Ordensgelübde auf diese Regel ab, die so beginnt: „Regel und Leben der Minderen Brüder ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesus Christus heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit.“ (BR 1,1)
Ein Zeichen von oben
1224, als Franz sich in einer Einsiedelei am Berg La Verna aufhält, sieht er in einer Vision einen Mann, ähnlich eines Seraphs, der sechs Flügel hat und mit seinen Armen an ein Kreuz geheftet ist. Über diese Vision ganz erstaunt, erhält Franziskus die Wundmale Christi als ein besonderes Zeichen der Verbundenheit mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus. Thomas von Celano erwähnt in seiner Lebensbeschreibung: Franziskus „bemühte sich, diese Auszeichnung auf jede mögliche Weise zu verbergen, damit nicht menschliche Gunst die ihm verliehene Gnade entziehe“. (1 Cel 95)
Über die Schöpfung ein Loblied auf den Schöpfer
Zwei Jahre später ist Franziskus sterbenskrank. Er ist fast gänzlich erblindet, Magen und Leber sind in ihren Funktionen stark beeinträchtigt, sein gesamter Zustand ist sehr kritisch. In diese Leidenszeit 1224/1225 fällt die Dichtung seines berühmten Sonnengesangs, seiner jubelnden Antwort auf die Erfahrung, dass selbst in dunkler Nacht Gott gut für ihn sorgt. Dieses Gedicht ist ein Loblied auf Gott und ein Hymnus auf seine Schöpfung.
Auf dem Weg zu seinem Sterbeort, Portiunkula, segnet Franziskus die Stadt Assisi.
Als sich Franziskus schon nicht mehr bewegen kann, lässt er seine engsten Brüder rufen und gibt ihnen einzeln den Segen. Er bittet darum, von Assisi in die drei Kilometer entfernte Portiunkulakapelle gebracht zu werden, von wo aus seine Bewegung und die Gemeinschaft der Minderbrüder ihren Anfang nahmen. Aus Liebe zu seiner „Herrin Armut“ stirbt er, nackt auf die Erde gelegt, am Abend des 3. Oktober 1226.
Bestattet wird er zunächst in der Kapelle San Giorgio in Assisi, an deren Stelle heute die Kirche Santa Chiara steht, bevor seine Gebeine 1230 in der Basilika San Francesco ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Franziskus wird bereits 1228 durch Papst Gregor IX. heiliggesprochen.
Br. Konrad Schlattmann OFM Conv.
Die Zitate der Quellenschriften sind entnommen aus:
Berg, Dieter und Lehmann, Leonhard (Hrsg.), Franziskus-Quellen. Die Schriften des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden, Kevelaer 2009.
Gebete
Der Gruß an die Gottesmutter
Gegrüßt seist du, heilige Herrin,
hochheilige Königin, Gottesgebärerin Maria.
Du bist immerwährende Jungfrau,
erwählt vom heiligsten Vater im Himmel.
Dich hat er geweiht mit seinem heiligsten
geliebten Sohn und dem Geist, dem Tröster.
In dir war und ist
jegliche Fülle der Gnade und alles Gut:
Sei gegrüßt, du sein Palast.
Sei gegrüßt, du sein Gezelt.
Sei gegrüßt, du seine Wohnstatt.
Sei gegrüßt, du sein Gewand.
Sei gegrüßt, du seine Magd.
Sei gegrüßt, du seine Mutter.
Und seid gegrüßt,
ihr heiligen Tugenden alle,
dir ihr durch Gnade
und Erleuchtung des Heiligen Geistes
in die Herzen der Menschen ausgegossen werdet,
um für Gott aus Ungläubigen Gläubige zu machen.
Heilige Jungfrau Maria, unter den Frauen der Welt ist keine dir ähnlich geboren, du Tochter und Magd des höchsten Königs, des Vaters im Himmel: du Mutter unseres heiligsten Herrn Jesus Christus, du Braut des Heiligen Geistes. Bitte für uns mit dem heiligen Erzengel Michael und allen himmlischen Mächten und mit allen Heiligen bei deinem heiligsten geliebten Sohn, unseren Herrn und Meister.
Allmächtiger, allheiliger, höchster und erhabenster Gott. Du alles Gut, du höchstes Gut, du Fülle des Guten. Der du allein gut bist, dir spenden wir alles Lob, allen Ruhm, allen Dank, alle Ehre, allen Preis und alle Güter. Es geschehe, es geschehe! Amen.
Vater unser
Heiligster Vater unser -
unser Schöpfer, Erlöser, Tröster und Heiland.
Der du bist im Himmel -
in den Engeln und in den Heiligen. Du erleuchtest sie zum Erkennen, weil du, Herr, das Licht bist.
Du entflammst sie zum Lieben, weil du, Herr, die Liebe bist. Du wohnst in ihnen und erfüllst sie zur Seligkeit, weil du, Herr, das höchste Gut bist, das ewige, von dem jedwedes Gut kommt, ohne den nichts gut ist.
Geheiligt werde dein Name -
Aufleuchten soll in uns die Kenntnis von dir, damit wir innewerden der Breite deiner Wohltaten, der Länge deiner Verheißungen, der Höhe deiner Erhabenheit, der Tiefe deiner Gerichte (Eph 3,18)
Dein Reich komme -
damit du herrschest in uns durch die Gnade und uns lässt in dein Reich kommen, dort, wo sich findet die offenbare Anschauung von dir, die selige Gemeinschaft mit dir, das ewige Verkosten in dir.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden -
damit wir dich lieben aus ganzem Herzen – und stets an dich denken: aus ganzer Seele – und stets dich ersehnen: aus ganzem Gemüte – und nur dich meinen und deine Ehre in allem suchen;
aus all unseren Kräften – und alle Kraft und alles Gespür von Seele und Leib auf deine Liebe verwenden und auf nichts anderes; unseren Nächsten lieben wie uns selbst und alle nach Kräften zu deiner Liebe hinziehen, uns freuen am Gute der anderen gleich wie am eigenen, mitleiden am Elend und je niemand verletzen.
Unser tägliches Brot gib uns -
deinen geliebten Sohn, unseren Herrn Jesus Christus.
Gib uns heute -
zum Gedächtnis, zum Verstehen und zur Verehrung der Liebe, die er zu uns hegte, und all dessen, was er für uns gesprochen, getan und erduldet.
Und vergib uns unsere Schuld -
durch dein unaussprechliches Erbarmen und kraft der Leiden deines geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, und auf die Verdienste und Fürbitte der seligsten Jungfrau Maria und all deiner Auserwählten.
Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern -
und was wir nicht vollkommen vergeben, mach du, o Herr, dass wir es gänzlich vergeben, damit wir um deinetwillen die Feinde wahrhaftig lieben und dich für sie aufrichtig bitten, niemandem Böses mit Böses vergelten und für alle in dir dazusein uns bemühen.
Und führe uns nicht in Versuchung -
sei sie geheim oder offenkundig, unvermutet oder ungestüm.
Sondern erlöse uns von dem Bösen -
dem vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen.
Amen.
Gebet und Danksagung aus der ersten Regel
Allmächtiger und allheiliger, höchster und erhabenster Gott, Vater, heilig und gerecht, Herr, König des Himmels und der Erde, um deiner selbst willen sagen wir dir Dank, dass du durch deinen heiligen Willen und durch deinen eingeborenen Sohn die unsichtbare und sichtbare Welt erschaffen und uns, geformt nach deinem Bild und Gleichnis, ins Paradies versetzt hast. Durch unsere Schuld sind wir gefallen.
Wir sagen dir Dank, dass du uns durch deinen Sohn erschaffen und auch gleicherweise durch die heilige Liebe, mit der du uns geliebt, ihn selbst als wahren Gott und wahren Menschen aus der glorreichen, seligsten immerwährenden Jungfrau, der heiligen Maria hast geboren werden lassen und uns Gefangene durch sein Kreuz, Blut und seinen Tod hast erlösen wollen.
Wir sagen dir Dank, dass dieser dein Sohn einst kommen wird in der Herrlichkeit seiner Majestät, um die Verdammten, die nicht Buße getan und die dich nicht erkannt haben, dem ewigen Feuer anheimzugeben und allen zu sagen, die dich erkannt angebetet und dir in Buße gedient haben: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vater, und empfanget das Reich, das euch bereitet ist vom Anbeginn der Welt.“
Und weil wir Elenden und Sünder allesamt nicht würdig sind, deinen Namen im Munde zu führen, so bitten wir demütig: unser Herr Jesus Christus, dein geliebter Sohn, an dem du dein Wohlgefallen hast, wolle zusammen mit dem Heiligen Geist, dem Tröster, dir Dank sagen für alles, so wie es dir und ihm gefällt. Er, der dir in allem immer Genüge ist, durch den du uns so viel erwiesen. Alleluja.
Und die glorreiche, seligste allzeit jungfräuliche Mutter Maria, die seligen Michael, Gabriel, Raphael und alle Chöre der seligen Geister: die Seraphim, die Cherubim und die Throne, die Herrschaften, die Fürstentümer und die Mächte, die Kräfte, die Engel, die Erzengel: den seligen Johannes den Täufer. Johannes den Evangelisten, Petrus, Paulus und die seligen Patriarchen, die Propheten, die Unschuldigen Kinder, die Apostel, Evangelisten, Jünger, Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, die seligen Elias und Henoch und alle Heiligen, die da waren, sein werden und jetzt sind, sie alle bitten wir in Demut um deiner Liebe willen, dass sie so, wie es dir gefällt, für all das Dank sagen: dir, dem höchsten und wahren Gott, dem Ewigen und Lebendigen, mit deinem vielgeliebten Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, und dem Heiligen Geiste, dem Tröster, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Alleluja.
Der Lobpreis der Tugenden
Sei gegrüßt Königin Weisheit, der Herr bewahre dich durch deine Schwester, die heilige, reine Einfalt.
O Herrin, heilige Armut, der Herr bewahre dich durch deine Schwester, die heilige Demut.
Herrin, heilige Liebe, der Herr bewahre dich durch deine Schwester, den heiligen Gehorsam.
Ihr hochheiligen Tugenden alle, euch bewahre der Herr, von dem ihr ausgeht und herkommt.
Kein einziger Mensch ist auf der ganzen Welt, der nur eine von euch besitzen könnte, ohne vorher sich selbst zu sterben. Wer eine besitzt und die anderen nicht verletzt, der besitzt alle, und wer eine verletzt, der besitzt keine und verletzt alle; und jede für sich macht Laster und Sünde zuschanden.
Die heilige Weisheit macht Satan mit all seiner Bosheit zuschanden.
Die reine, heilige Einfalt macht alle Weisheit dieser Welt zuschanden mitsamt der Weisheit des Fleisches.
Die heilige Armut macht alle Habsucht und Geiz und weltliches Sorgen zuschanden.
Die heilige Demut macht den Stolz und alle Weltmenschen und alles nur Weltliche zuschanden.
Die heilige Liebe macht alle teuflischen und fleischlichen Versuchungen und alle fleischlichen Ängste zuschanden.
Der heilige Gehorsam macht alles leibliche und fleischliches Wollen zuschanden und hält seinen Leib abgetötet, damit er dem Geist gehorche und seinem Bruder gehorche, und macht den Menschen allen Menschen dieser Welt untertan, und zwar nicht nur den Menschen, sondern selbst allen unvernünftigen und wilden Tieren, damit sie mit ihm nach ihrem Belieben tun können, sofern es ihnen von oben, vom Herrn, gegeben ist.
Die Ermahnung zum Lobe Gottes
Fürchtet den Herrn
und gebt ihm die Ehre (Off. 14,7).
Würdig ist der Herr,
zu empfangen Lob und Ehre (Off. 4,11).
Alle, die ihr den Herrn fürchtet,
lobet ihn (Ps 21,24).
Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir (Lk 1,28).
Lobe ihn, Himmel und Erde (Ps 68,35).
Ihr Ströme alle, lobet den Herrn (Dan. 3,78).
Ihr Söhne Gottes, preiset den Herrn (Dan.3,12).
Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat,
lasst uns frohlocken und seiner uns freuen (Ps 117,24).
Alleluja, Alleluja, Alleluja
König von Israel (Joh. 12,13)
Alles, was Odem hat lobe den Herrn (Ps 150,6).
Lobet den Herrn, denn er ist gut;
alle, die ihr dies lest, preiset den Herrn (Ps 146,1)
Ihr Kreaturen alle, preiset den Herrn (Ps 102,22).
Ihr Vögel des Himmels, preiset den Herrn (Dan. 3,86).
Ihr Kinder, alle lobet den Herrn (Ps 112,1).
Ihr Jünglinge und Jungfrauen, lobet den Herrn (Ps 148,12).
Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist,
zu empfangen Lob, Ruhm und Ehre (Offb. 5,12).
Gepriesen sei die heilige Dreifaltigkeit und ungeteilte Einheit.
Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe.
Der Lobpreis Gottes von La Verna
Du bist der Heilige, Herr, der alleinige Gott;
Wunderwerke vollbringst du.
Du bist der Starke.
Du bist der Große.
Du bist der Höchste.
Du bist der allmächtige König.
Du heiliger Vater, König des Himmels und der Erde.
Du bist der Dreifaltige und der Eine.
Herr und Gott über allen Göttern.
Du bist das Gute, jegliches Gut, das höchste Gut,
Herr und Gott, lebendig und wahr.
Du bist die Liebe und die Güte.
Du bist die Weisheit.
Du bist die Demut.
Du bist die Geduld.
Du bist die Schönheit.
Du bist die Sicherheit.
Du bist die Ruhe.
Du bist die Freude und das Frohlocken.
Du bist unsere Hoffnung.
Du bist die Gerechtigkeit.
Du bist das Maß.
Du bist all unser Reichtum zur Genüge.
Du bist die Schönheit.
Du bist die Milde.
Du bist der Beschützer.
Du bist der Hüter und unser Beschirmer.
Du bist die Stärke.
Du bist die Erquickung.
Du bist unsere Hoffnung.
Du bist unser Glaube.
Du bist unsere Liebe.
Du bist unsere ganze Glückseligkeit.
Du bist unser ewiges Leben.
Großer und wunderbarer Herr,
allmächtiger Gott, barmherziger Heiland.
Der Sonnengesang
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit und Ehre
und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne;
er ist der Tag, und du spendest uns das Licht durch ihn.
Und schön ist er und strahlend in großem Glanz,
dein Sinnbild, o Höchster.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
hell leuchtend und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteren Himmel und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und liebenswürdig und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns ernährt und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt werden.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in schwerer Sünde sterben.
Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun
Lobt und preist meinen Herrn
und sagt ihm Dank und dient ihm mit großer Demut.
Geistliche Hausordnung
Wo Liebe ist und Weisheit, da ist nicht Furcht noch Unwissenheit.
Liebe ist Bergung in Grund und Boden.
Weisheit ist gelebte - und so verkostete - Einsicht.
Jeder Mensch stammt aus Gottes JA.
Jeder Mensch aus Gottes JA ist gottwertig.
Jeder Mensch bringt eine ihm eingestiftete Botschaft mit.
Jedes Menschen Leben ist immer und immer wieder heilbar.
Jedes Menschen Leben ist bestimmt für ewige Gemeinschaft mit Gott.
Wo Armut ist mir Fröhlichkeit, da ist nicht Habsucht oder Geiz.
Armut ist die Lebensweise eines Menschen, der sich festgemacht hat in Gott als dem Reichtum, der allein genügt. Armut aus dem JA geboren, hat noch was zu lachen.
Fröhlichkeit ist die vom Evangelium her eingefärbte Lebensweise - "Evangeliumsfarbe".
Wo Ruhe ist und Betrachtung, da ist nicht Aufregung und unsteter Geist.
Ruhe ist die Verfassung der Gelassenheit, die aus dem Glauben kommt, dass immer und überall und in allem Gott seine Hand im Spiel hat.
Betrachtung ist:
- Vergegenwärtigung der Wahrheit
- Vergegenwärtigung in der Wahrheit
- Siedeln / Wohnen in der vergegenwärtigten Wahrheit
Tau-Zeichen
Vielen Menschen unserer Zeit gilt das Tau als Erkennungszeichen für franziskanische Schwestern und Brüder.
Und tatsächlich war das Tau eines der bevorzugten Symbole des hl. Franz von Assisi. Vielleicht hat er gehört, was Papst Innozenz III. auf dem vierten Laterankonzil in Rom gesagt hat: Er ging damals in einer Predigt auf das Tau-Zeichen ein.
Dieses Zeichen finden wir übrigens auch in der Bibel: Im Buch Ezechiel, Kapitel 9, wird das Tau all denen auf die Stirn gezeichnet, die gerettet werden sollen. Denn die Stadt war von Gott abgefallen und sollte vernichtet werden. Aber Gott hat Erbarmen und gibt den Auftrag: „Von denen, die das Tau auf der Stirn haben, dürft ihr keinen anrühren!“ (Ez 9,6)
Und Israel macht tatsächlich die Erfahrung: Wer das Zeichen Tau auf der Stirn trägt, der wird gerettet, der bleibt von der Vernichtung verschont und darf leben.
Was ist es nun für ein geheimnisvolles Zeichen?
Das Tau ist Bestandteil von zwei Alphabeten: als TAU kommt es im griechischen Alphabet vor und als TAW ist es der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets.
Wenn wir versuchen, das Wort Tau im Zusammenhang der Bibelstelle (Ez 9) zu übersetzen, geben die Wörter „Zeichen“ oder „Siegel“ wohl am besten wieder, was gemeint ist.
Franz von Assisi nutzte dieses Zeichen gern: Wir haben einen Brief mit einem Segenswunsch, den er an Bruder Leo geschrieben hat, und den er mit dem Tau-Zeichen gleichsam unterschrieben hat.
Der Biograph des Franziskus, Thomas von Celano, berichtet außerdem, dass das Ordenskleid des Heiligen in der Gestalt eines Tau-Kreuzes geschnitten war.
Nicht zu unrecht also ist das Tau heute ein Symbol für franziskanisches Leben.
Tau – Du bist geborgen.
Lass dich besiegeln mit dem Tau und wisse, dass du zu einer Gemeinschaft gehörst: Einer weltweiten Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, Menschen, die mit dir gemeinsam auf dem Weg sind.
Tau – Du bist gerettet.
Lass dich besiegeln mit dem Tau und wisse, dass es ein Zeichen ist, das dir von Gott her zukommt, ein Siegel, das der Herr dir eingedrückt hat: Du bist gerettet, erlöst - befreit zum Leben. Weil Jesus für dich am Kreuz gestorben ist, weil er aus dem Grab erweckt wurde, kannst du leben! Eine unverrückbare Zusage des lebendigen Gottes.
Tau – Du bist gesendet.
Lass dich besiegeln mit dem Tau und wisse, dass es ein Zeichen der Sendung ist, ein Zeichen der Erinnerung: Hab Mut, wie Franziskus unserem Herrn Jesus Christus nachzufolgen und seine Gute Nachricht zu leben – auf Menschen hin und in die Welt hinein.
Ich wünsche dir,
dass der menschenfreundliche Gott dich segnen möge.
Das TAU möge dir ein Zeichen sein, damit du nie vergisst: Du – und hier setz deinen Namen ein – bist Gottes geliebter Mensch. Ja: Du! Von Gott geliebt, unendlich geliebt.
Die Zusage, die Gott der Herr, dem Volk Israel damals dort gegeben hat, sie gilt auch für dich hier und heute und sie wirkt fort für alle Zeiten. Auf dass du es nie vergessen mögest: Gott geht alle Wege mit.
Und weil er geht, kannst auch du gehen – hin zu Mensch und Welt.
Auf und geh und verkünde seine Botschaft der ganzen Schöpfung! Erzähle den Menschen von seinem froh machenden Wort, schaffe Werke von Gerechtigkeit und Frieden, aber vor allem tu eins: Lebe!
Lebe als erlöster Mensch, als Mensch, der weiß, dass es gut ausgeht, als Mensch, der strahlt, weil Gott ihn liebt.
Und noch einmal, sei gewiss: Der Herr segnet dich und behütet dich, er wendet dir sein Angesicht zu und wird dir Frieden schenken!
Und das ist mehr als ein frommer Wunsch von mir für dich, das ist eine Gottes-Zusage.
Aus der Botschaft des Tau mögest du leben! Amen.
Tau-meditation
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen der Erneuerung
Franziskus wandelt das Zeichen des Tau um vom Kampfes- und Auserwählungszeichen zum Zeichen des Friedens, der durch Wehrlosigkeit und Versöhnung erreicht wird, nicht nur für sich, sondern gerade für die, gegen die wir uns leicht wenden.
Das Tau sybolisiert die Wiederherstellung der Welt und der Kirche zutiefst in ihrer Einheit der geistlichen Berufung, die immer eine Berufung des Frieden ist. Keine geistliche Gemeinschaft kann sich im Hier und Heute einrichten. Es braucht das lebendige Bewusstsein, dass der Herr zusammenführt, und dabei die Bereitschaft zur Pilgerschaft, zum Aufbruch und zum Frieden.
Wo die Gemeinschaft nur sich selbst genügt, wenn in ihr nur ein ökonomischer Geist, ein Konsumgeist, ein Machtgeist den Alltag beherrschen, verfällt sie und verliert ihre eigentliche Bestimmung.
Drei Dinge fördern eine geistliche Gemeinschaft und bewahren die je eigene Berufung:
- Persönliches Beten: Erst die Freude am Gebet führt zum gemeinschaftlichen Beten.
- Geistlicher Austausch: Gefährlich ist die alleinige Selbstberatung gerade in der Not der Seele. Aus dem geistlichen Wort des Bruders und der Schwester spricht der Herr.
- Verankerung im Mysterium der Kirche, die nicht nur Institution ist, sondern zutiefst Leib des Herrn.
Das Tau wird so zum Zeichen einer erneuerten Menschenwelt, in der wir uns nicht verachten und bekriegen, sondern achten und versöhnen, Frieden ist möglich.
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen des Lebens
Das Zeichen steht für einen positiven Lebensausdruck. Es entspricht in seiner stilisierten Form einem zu seiner vollen Entfaltung gelangten Baum: Der Stamm erhebt sich in die Höhe und zugleich wächst er voll in die Breite. Das, was Franziskus mit seinem Leben erstrebt, drückte er mit dem Zeichen des Tau aus.
Das Tau hat eine Mitte, in der diese ganze Lebenswirklichkeit steht. Wie in einem Angel- oder Knotenpunkt ist hier das Leben verfügt. Wir können von diesem Punkt, wo Vertikale und Horziontale sich berühren, ausgehen. Jedes Leben, besonders jeden Menschen, verstehe ich dann von dem Punkt her, wo sich die Höhe und Breite seines Lebens kreuzen. So begreife ich seine geschichtliche und natürliche Entfaltung. Franziskanisches Leben versteht sich daher als Liebe zur Fülle des Lebens.
Das Tau ist ein einfaches Zeichen, in welchem die Fülle der Wirklichkeit des Lebens auf die einfachen Grunddimensionen zurückgeführt ist. Der einfach Blick auf ein Stück Holz mag dem vergleichbar sein.
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen der Befreiung
Das Tau ist auch ein Zeichen der endgültigen Befreiung des Menschen von Drangsal und Untergang. Die Geschichte Jesu und aller, die an ihn glauben, führt zur Endgestalt des befreiten und erneuerten Menschen. In den Bedrängnissen der Endzeit steht Jesus dem Glaubenden nahe, der sich an ihn halten kann. Um ihnen ein Zeichen der Befreiung zu geben, erhalten seine Anhänger in der Apokalypse das Zeichen (des Tau) auf die Stirn.
Franziskus sieht dieses Zeichen gern als Hoffnungssymbol für die Menschen. Franziskanisches Leben ist auf ein gute und gelingende Zukunft angelegt. Keiner braucht sich verloren zu wähnen. Franziskanische Menschen gehen mit einer Zukunfts- und Ermutigungsbotschaft durch die Welt. Jeder ist bedeutsam und darf das Zeichen der Befreiung annehmen.
Wichtig ist dies: Nicht der Mensch befreit sich aus sich, er steigt in die Befreiungsgeschichte Gottes ein und hat so sein Leben.
Franziskanisches Gemeinschaftsleben ist als Befreiung durch den Herrn zu verstehen. Er ruft konkret die Gemeinschaft zusammen. Nicht einzelne verbinden sich zum gemeinsamen Engagement, vielmehr verbindet sie der Herr zu Brüdern und Schwestern und so zum gemeinsamen Frieden.
Jeder muss sich persönlich bemühen, sich im Gebet und Gespräch vor Augen zu halten, dass der Herr selbst uns zusammenführt. Nicht gegenseitige Sympathie und Bewunderung sind es, die unser Zusammenleben begründen, sondern der Herr.
Wird die Gemeinschaft so zusammengeführt, dann folgt aus dem geistlichen Auftrag der soziale oder pädagogische oder katechetische und andere Auftrag. Gerade in diesen Aufträgen wird sich die Wahrhaftigkeit des geistlichen Auftrages zu bewähren haben.
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen des Wohlwollens
Leben im Zeichen des Tau bedeutet für uns Menschen: Ich bin dem anderen gut gesinnt und auf sein Heil und Wohl bedacht. Darin liegt immer ein Überschuss an Freundlichkeit, die dem Mitmenschen zuerst geschenkt wird, unabhängig davon, ob er es verdient oder nicht, ober er sie mir erwidert oder nicht. Leben ist immer am Leben des anderen interessiert und will die Entfaltung seines Lebens.
Das Tau ist Segenszeichen, das Wohlwollen und Trost schenkt. Es ist aber auch ein Zeichen brüderlicher und verstehender Nähe. Sie trägt den anderen mit, der schwächer ist, ohne herrschaftlich zu sein.
Im Ordensleben geht es um den Überschuss an Wohlwollen. Wir berechnen und kalkulieren unser Zusammenleben nicht. Auch mit schwachen Brüdern können wir zusammenleben. Oft stehen wir in der Versuchung, uns eine ideale Gemeinschaft zu wünschen und die bestehende zu verleugnen. Das wirkt nicht aufbauend; es hilft uns auch in der geistlichen Berufung nicht.
Im Zeichen des Tau schauen wir mit Wohlwollen auf den Bruder, auf die Schwester, wie auch immer sie gebaut sind, und schauen ihr Leben auf seine Verheißung hin an. Gerade jene, die mir eine Last sind, sind auch von Gottes Liebe angenommen und dazu berufen, mit mir Erben seines Reiches zu sein.
In diesem Lichte rechtfertigt sich eine Ordensgemeinschaft nicht aus ihren menschlichen Voraussetzungen allein, sondern als Brüder und Schwestern, die der Herr im neuen Reich zusammenführt und die sich untereinander annehmen.
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen der Beachtung
Im Zeichen des Tau erhält auch die Schöpfung eine neu Qualität oder ihre eigentliche Qualität zurück. Die Natur nimmt an der Errettung teil. Daher verbietet sich ein rücksichtsloser Umgang mit der Umwelt.
Im Zeichen des Tau gibt Franziskus der Natur die ihr zukommende Beachtung. Der Mensch darf die Natur in Dienst nehmen, aber nur in Dienst! Er hat kein Recht, sie auszubeuten oder zu vernichten. Der Umgang mit den Dingen im Zeichen des Tau ist vom Geist der Armut und Ehrfurcht geprägt, der gelten lässt. Die Welt will in ihrer Wesensart verstanden und behütet sein. Vergißt der Mensch das, schadet er sich auf die Dauer selbst.
Durch das Anbringen des Tau erhält die Umwelt ihre naturgemäße Art zurück. Ihr wird gewünscht, im vollen Leben erhalten zu bleiben, als Lebensbaum neu zu erstehen und zu wachsen. Es geht um ein Mehr an Leben. Es geht um die volle Möglichkeit der Entfaltung aller Anlagen und Kräfte. Dieses Mehr muss allerdings nicht im üppigen Wachstum liegen, es kann auch im Kleinen und Bruchstückhaftem anwesend sein. Es ist vor allem die Werthaftigkeit in sich vor Gott.
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen des Kleinen
Das Tau ist der kleinste Buchstabe im griechischen Alphabet. Mit dem Tau verbindet sich die Wertschätzung von allem, was ist, mag es noch so klein sein. Kein Ding ist unbedeutend, erst recht kein Mensch.
Franziskus nahm im Kleinen das Große wahr. Jedes Ding ist in sich wert. Jeder Mensch hat in sich Bedeutung als Bruder unabhängig von Klein und Groß.
Das Kleine repräsentiert im Zeichen des Tau die Fülle des Lebens. Mag ein Mensch noch so klein sein. Im Sinngefüge des Tau hat er seinen Wert.
Franziskus erfährt sich selbst als der Kleine, um im Kleinen Gott alle Möglichkeiten des Größeren zu lassen. Vor Gott ist der Mensch immer klein, aber gerade dem Kleinen offenbart er sich.
Das Kleine in der Gestalt des Tau ist für Franziskus wie ein Schatz, den er gefunden hat, wie ein Schlüssel zum Geheimnis des Lebens der Welt, und eine Freude über diesen Reichtum, der letztlich zählt.
Leben im Zeichen das Tau - Zeichen der Zuversicht
Das griechische Wort für niedrig (tapeinos) beginnt mit dem Buchstaben Tau. Die wegen der Erwartung des Heils Bedrängten und Zurückgestoßenen können Hoffnung haben und auch jeder, der erniedrigt ist, durch welche Lebenssituation auch immer bedingt.
Das Tau wird zum Verheißungszeichen für alle, die ein neues Leben von Gott her, wie Maria, erwarten. Die Künderin dieses Heils, das im Zeichen des Tau aufgegriffen wird, ist Maria selbst. Sie ist den Armen und Niedrigen, den Einfachen und Beherrschten solidarisch nahe und deren erste Hoffnungsträgerin. Für eine franziskanische Betrachtung ist Maria auch deswegen auf der Seite der Kleinen, die von sich aus keine Mächtigkeit und keinen Anspruch vor Gott vorweisen können.
Die im Zeichen des Tau übernommene marianische Haltung ist die freudige und preisende Zuversicht der Kleinen und Erniedrigten auf die volle Erfüllung ihres Lebens als Geschenk des Heils durch Gott.
Wer sich bei den Niedrigen wiederfindet und vor dem Mitmenschen und vor Gott nicht mächtig wähnt und auf die eigene Leistung baut, wächst auch heran wie ein neuer Lebensbaum, wie ein Rosenbaum, der in Gottes Wohlgefallen voll zur Blüte kommt.
Portiunkula-Ablass
Viele, die das Wort „Ablass“, empfinden Unbehagen. Martin Luther geriet wegen des Ablasses in theologische Auseinandersetzungen mit Rom. Der Ablassstreit war auslösendes Moment der Kirchenspaltung. Die Kirche hat auch nach dem II. Vatikanischen Konzil am Ablass festgehalten.
Ohne das nötige Bewusstsein von Sünde und Schuld gibt es keinen Zugang zum Ablass. Es ist wichtig, sich im Hinblick auf bestimmte Situationen bewusst zu machen: Ich habe mich von Gott, seinem Willen und seiner Liebe losgemacht; ich habe mich Gott und seiner Liebe entzogen.
Zu diesem ersten Schritt muss ein zweiter kommen: Wer an die Liebe Gottes glaubt, wird erkennen müssen, dass er durch sein eigenes Verfehlen auch mitschuldig wird an einer Welt, die unerlöst und friedlos, ungerecht, voller Konflikte und Schmerzen ist. Wer glaubt, wird diese Erkenntnis immer wieder ummünzen in die Bereitschaft umzukehren. Umkehr geschieht vor allem im Gebet, im Lesen des Wortes Gottes, im Gottesdienst, im Bußgottesdienst und vor allem im Empfang des Bußsakramentes. In diesem Sakrament gibt Gott dem Sünder nicht nur Vergebung, sondern auch die Zusage seines Beistandes, des Hl. Geistes.
Zentral für das Verständnis des Ablasses ist eine notwendige Unterscheidung: Sünde und Schuld auf der einen Seite, Schaden und folgen auf der anderen Seite. Die Sünde ist zwar vergeben, aber was ist mit den Folgen?
Jede Sünde hat ihre Strafe in sich selbst. Mit der Vergebung der Sünde sind noch nicht alle Folgen der Sünde (Sündenstrafen) aus der Welt geschafft. Es bedarf einer besonderen Anstrengung des Aufarbeitens oder Wiedergutmachens.
Im Bemühen um Korrektur, in dem oft schmerzhaften Abtun von Gewohnheiten, in dem ehrlichen Willen zum Aufarbeiten, bietet uns die Kirche ihre Hilfe an, ihre Fürbitte, ihr stellvertretendes Einstehen vor Gott.
Der Ablass ist die Zusage der Kirche durch ihre obersten Seelsorger, den Papst, dass sie dem, der sich in ihrem Sinne um Wiedergutmachung bemüht, zur Seite steht.
Die Kirche ist ein lebender Organismus, in welchem Gebet, Opfer, Liebe, Leiden, gute Taten, Verfolgung und Sterben für Christus, alles, was heilige Glieder der Kirche getan haben und tun, vor alles was Jesus Christus selber getan hat, dem umkehrwilligen Sünder zu Gute kommen. Je mehr sich einer dieser Hilfestellung anvertraut, um so mehr darf er hoffen, dass die Folgen seiner Schuld vollkommen in Ordnung kommen.
Wer einen Ablass gewinnt, erhält keine Amnestie, er gewinnt für sein Bemühen den Beistand der kirchlichen Gemeinschaft. Was aus der Sünde folgt, was wir nicht einfach ungeschehen machen können, kann nicht mit einem Federstrich annulliert werden. Der Büßer darf gewiss sein, dass er in Gemeinschaft mit Christus und allen Heiligen jene Kraft, jene Gnade, jenen Beistand erhalten wird, den er nötig hat, um seinen Umkehrweg zu Ende zu gehen. Die Kirche versichert ihm aufgrund seines guten Willens: Es wird alles gut.
Der Portiunkula-Ablass kann am 02. August oder am darauf folgenden Sonntag (ab 12 Uhr des Vortages bis 24 Uhr des betreffenden Tages) in den Ordenskirchen und öffentlichen Kapellen der franziskanischen Ordensfamilien, in allen Pfarrkirchen u. in den Filialkirchen mit eigenem Sprengel, jedoch nur einmal insgesamt als vollkommener Ablass gewonnen werden.
Voraussetzungen sind der Besuch einer dieser Kirchen mit dem Gebet Vaterunser u. dem Glaubensbekenntnis, sowie die üblichen Bedingungen: Beichte mit entschlossener Abkehr von jeder Sünde, Kommunionempfang und Gebet nach Meinung des Hl. Vaters (z.B. Vaterunser und Gegrüßet seist du, Maria oder ein anderes Gebet nach freier Wahl).
Die drei zuletzt genannten Bedingungen können mehrere Tage vor oder nach dem Kirchen-besuch erfüllt werden. Fehlt die volle Disposition od. bleibt eine der Bedingungen unerfüllt, gewinnt man einen Teilablass.